Diese Auflagen für die Medienschaffenden sind in Teilen der Öffentlichkeit auf Unverständnis und Kritik gestossen, wie Leserbriefe in Zeitungen und Kommentare in Internetforen zeigen. «Wenn ein Hauswart, ein Albaner oder eine geistig verwirrte Mutter angeklagt ist, darf die ganze Schweiz die Identität der Person erfahren. Und der ‹Blick› kann wochenlang Kampagnen führen, die das Privatleben und die Zukunft der Person zerstören», heisst es etwa auf der Website Politlinks. «Wenn aber ein Topmanager betroffen ist, gelten anscheinend andere Bedingungen.» Ist der Verdacht der Klassenjustiz gerechtfertigt?
«Keine starken Indizien» für Bevorteilung
Aufgrund der erschienenen Medienberichte zum Prozess sieht Peter Studer, Publizist, Jurist und ehemaliger Präsident des Presserats, «keine starken Indizien» für die These, dass der Beschuldigte von einem Topmanager-Bonus profitiert habe. Und er äussert die Hoffnung, dass etwa bei einem serbischen Bauarbeiter gleich entschieden worden wäre – «was ich auch schon mehrere Male beobachtet habe».
In der Tat: Vor ein paar Jahren verfügte ein Bezirksgericht im Kanton Zürich im Fall eines Handwerkers restriktive Auflagen für die Medienberichterstattung. So mussten die Journalisten auf die Nennung des Wohnorts verzichten, weil der Beschuldigte in einem kleinen Dorf lebte, wo jeder jeden kennt. Wäre dessen Wohnort publik geworden, hätte der Mann in seinem Umfeld leicht identifiziert werden können.
Berichterstattung «normalerweise in anonymisierter Form»
Gegenüber DerBund.ch/Newsnet betont Studer, dass der Journalistenkodex des Presserats ohnehin einen Verzicht auf Identifizierung verlange – «mit wenigen Ausnahmen, von denen hier keine zu greifen scheint». Zudem erinnert Studer an ein Bundesgerichtsurteil von 2011, auf das sich das Zürcher Bezirksgericht im vorliegenden Fall habe stützen können. Das Bundesgericht habe damals auf die alten Grundsätze verwiesen, wonach die Gerichtsberichterstattung im Strafprozess «normalerweise in anonymisierter Form» geschehe, weil die «detaillierte Ausbreitung persönlicher Verhältnisse in die Privat- oder Geheimsphäre des Angeschuldigten eingreifen kann». Ausnahmen könne es bei Personen der Öffentlichkeit geben, zum Beispiel bei Politikern und Amtsträgern.
In der Praxis gibt es immer wieder umstrittene Fälle, insbesondere was die Nennung des Namens von Beschuldigten anbelangt. Studer nennt ein Beispiel, das einige Jahre zurückliegt. Bei «Dr. med. Martin Kraska», der Personen in den fürsorgerischen Freiheitsentzug einweisen konnte, habe das Bundesgericht dem «Tages-Anzeiger» die Namensnennung zugebilligt, weil es die von Kraska angeordneten Einweisungen «in die Psychi» als amtliche Handlungen interpretiert habe.