«Das Verfahren gegen einen Toten ist bizarr»
Der Fall Magnitski sorgt für schwere diplomatische Verstimmungen zwischen den USA und Russland. Andreas Gross untersucht für den Europarat den aufsehenerregenden Fall.

Für Russland ist der tote Anwalt Sergei Magnitski ein mutmasslicher Krimineller, für Sie ein «Anti- Korruption-Whistleblower». Weshalb? Ich bin absolut überzeugt, dass Magnitski einem Unrecht auf die Spur kam und deshalb selber Opfer eines Unrechts wurde. Seine Mutter, seine Witwe, Freunde und Mitarbeiter berichteten mir genau, wofür er angestellt war und was seine Arbeiten waren. In meiner Untersuchung standen mir Gerichtsunterlagen und Originalbriefe zur Verfügung, die er während seiner Haft schrieb, eine Art Tagebuch. Magnitski deckte eine grosse Enteignung von Firmen und einen Diebstahl von 230 Millionen Dollar durch Beamte der Moskauer Steuerverwaltung und des Innenministeriums auf. Täter, die er überführte, und deren Helfershelfer steckten ihn ins Gefängnis, wo er ein Jahr später starb.