Papablog: Gewalt an KindernSchüler, die mit einem Holzpaddel geschlagen werden?
In vielen US-Bundesstaaten ist das Prügeln von Schulkindern mit einem Paddel legal. Doch bevor wir uns echauffieren, sollten wir uns fragen, wie es bei uns aussieht.

Die Simpsons haben es natürlich wie immer als erste gewusst. Mitte der 90er-Jahre wurde eine Folge ausgestrahlt, in der die Lehrkräfte streiken und der Unterricht daher von anderen Erwachsenen übernommen wird. Zum Beispiel vom alten Jasper Beardley, der mit einem Holzpaddel vor Lisas Klasse tritt und klarstellt:
«Wenn man aus der Reihe schwätzt, kriegt man 'n Paddel drüber! Aus dem Fenster sehen und träumen – da gibts auch eine gepaddelt! Auf meine Sandalen starren – schon paddel ich euch eins!»
Gewalt ist legal und wird praktiziert
Allerdings mussten die Simpsons dafür nicht sonderlich prophetisch sein, auch wenn jetzt viele Leute von der Tatsache schockiert sind, dass in einem Schulbezirk des US-Bundesstaates Missouri das Prügeln von Schülerinnen und Schülern mit einem Holzpaddel wieder eingeführt wurde.
In 14 weiteren Bundesstaaten ist diese Form der Gewalt an staatlichen Schulen nämlich nicht nur legal, sondern wird auch praktiziert. In Privatschulen ist es noch viel schlimmer. Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere von Ihnen noch an die Szene aus «Der Club der toten Dichter», in der der aufsässige Charlie Dalton vom Schulleiter mit dem Holzpaddel geschlagen wird, damit er seine Freunde verrät. Ungefähr so sieht das auch heute noch aus. Nur noch schlimmer.
Da wird ein sechsjähriges Mädchen von ihrer Schulleiterin mit einem Paddel geprügelt, während ihre Helferin das Kind positioniert. Weil es angeblich oder tatsächlich einen Schulcomputer zerkratzt hat.
Bittere Realität
Das ist keine Cartoonserie, kein Film, sondern die Realität. Zehntausende Kinder erfahren in den USA so Gewalt. Eltern willigen vorab in diese Strafmassnahmen ein und sind in einigen Bundesstaaten aufgefordert, dabei anwesend zu sein. Wenig überraschend sind die Opfer häufig Kinder, die eine Behinderung haben oder deren Familien kaum Englisch sprechen. Mit denen kann man es ja machen. Die wissen nicht, wie ihnen geschieht.
Und viel zu viele Eltern jenseits wie diesseits des Atlantiks haben leider immer noch Sprüche parat wie «Das hat mir auch nicht geschadet», «leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen» und natürlich das biblische «Wer die Rute schont, hasst seinen Sohn». Aber natürlich schadet es. Schläge auf den Hinterkopf erhöhen nur die Angst. Und wer seinen Sohn mit einer Rute züchtigt, ist gewalttätig.
Wird genug gegen die steigende Zahl von Kinderschutzfällen unternommen?
Nur ist es einfacher, in diesen Mustern zu verbleiben, als sich aus ihnen zu befreien. Es ist leichter, sinnlose, brutale Übergriffe im Nachhinein als notwendig, berechtigt oder «nicht so schlimm» einzustufen, weil man glaubt, sich so über die Abscheulichkeit der Erfahrung erheben zu können. Wir arbeiten instinktiv daran, uns rückwirkend weniger verwundbar und verantwortlich zu machen. Verwundbar durch die Gewalt, die uns angetan wurde. Verantwortlich für die Male, in denen wir zugesehen haben und etwas hätten tun können.
Aber so werden wir dieser Gewaltspirale niemals entkommen. Und bevor wir uns hier gemeinsam zu sehr über «die da drüben» und «die anderen» echauffieren: Wie sieht es denn aus in der Schweiz? Sind solche widerlichen Euphemismen wie «Mir ist die Hand ausgerutscht» mittlerweile gesellschaftlich geächtet? Ist das Recht auf gewaltfreie Erziehung inzwischen im Zivilgesetzbuch verankert? Wird genug gegen die steigende Zahl von Kinderschutzfällen unternommen?
Es geht nicht darum, ob Sie die Antwort auf diese Fragen kennen. Sie lautet leider in jedem Fall nein. Nein, diese Euphemismen sind nicht ausreichend geächtet. Nein, das Gesetz ist noch nicht im ZGB verankert. Nein, es wird nicht genug getan. Jetzt kommt es darauf an, endlich etwas gegen dieses «Nein» zu unternehmen.
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