Schneider-Ammann kritisiert Merkel und lobt Hollande
Müsste der freisinnige Bundesrat Johann Schneider-Ammann die Eurokrise lösen, würde er einen ähnlichen Weg beschreiten wie Sozialist Hollande. Bundeskanzlerin Merkel wirft er hingegen einen Kniefall vor.

Der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann warnt vor der Einführung von Eurobonds. In einem Interview mit der «Sonntagszeitung» schlägt er der EU vor, zwei Drittel in die Zukunft zu investieren und mit einem Drittel «die Sünden der Vergangenheit zu erledigen».
Eine Vergemeinschaftung der Schulden sei gefährlich, sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD). Denn sie schwäche die stärkeren Volkswirtschaften und lasse die Schwächeren glauben, dass mit ihrer Disziplin und Effizienz der Kontinent zurück zu Wachstum geführt werden könne.
Schneider-Ammann wirft Merkel Kniefall vor
«Schon die Einwilligung von Bundeskanzlerin Merkel in eine Fiskalunion betrachte ich als Kniefall und kaum zielführend», sagte Schneider-Ammann. Die Probleme müssten fundamentaler angegangen werde.
An «ein Horrorszenario Zusammenbruch Euro» glaubt Schneider-Ammann dennoch nicht. «Das kann und wird sich Europa nicht leisten».
Die Vorschläge des französischen Präsidenten François Hollande gingen in «eine gute Richtung», findet der Bundesrat. Dieser wolle Geld zur Verfügung stellen, um die Konjunktur zu fördern und das Wachstum anzukurbeln. Es brauche in den EU-Ländern aber auch mehr Produktivität, Effizienz und eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes.
Schneider-Ammann hebt drei Punkte hervor, die er an Hollandes vorgehen gut finde: Erstens seine Vision eines liberalen Arbeitsmarktes, der Unternehmer einlade Mitarbeiter zu beschäftigen und in diese zu investieren. Zweitens die sogenannte duale Berufsbildung, ein Ausbildungsform, wie sie ähnlich auch in der Schweiz praktiziert wird, geniesse im Volk eine «hohe Akzeptanz». Und drittens die Schuldenbremse, die «tugendlich» wirke.
All diese Ansätze führen bei Schneider-Ammann dazu, dass er die Wege des Sozialisten aus dem Nachbarsland gutheissen kann. Wohingegen er bei der Bundeskanzlerin Merkel befürchtet, sie könnte unter dem gegenwärtigen Druck einknicken und letztlich doch eine Lösung mit Eurobonds gutheissen.
«Disziplin und nachhaltiges Wachstum sind gefragt», sagte Schneider-Amman. Ein Rezept könne die Schweiz liefern: Sie investiere in Bildung und Innovation, werde damit effizienter und leistungsfähiger und habe mit der Schuldenbremse die Schulden im Griff.
Gauck: Nicht alle Felle seien davongeschwommen
Anders als Schneider-Amman lobt der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck seine Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einem Interview, das der deutsche Fernsehsender ZDF heute Abend in voller Länge ausstrahlen wird und das in Auszügen bereits vorliegt, bewertet Gauck die Ergebnisse des Brüsseler EU-Gipfels aus deutscher Sicht als nicht zu negativ: Bei Verhandlungen und Auseinandersetzungen setze sich selten eine Seite komplett durch.
Finanzprobleme bräuchten Zugeständnisse. Für den italienischen Ministerpräsidenten Monti sei es offenbar wichtig gewesen, «nach Hause zurückzukehren und in seiner Bevölkerung Handlungsfähigkeit zu demonstrieren», so Gauck. «Für mich war aber wichtig zu hören, dass nicht alle Felle davongeschwommen sind und dass auch nicht rote Linien überschritten sind», betonte Gauck.
Gauck bittet um Aufklärung
Er mahnt indes Angela Merkel, den Bürgern die Politik zur Rettung des Euro besser zu erklären. «Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet, auch fiskalisch bedeutet», sagte Gauck. «Manchmal ist es mühsam zu erklären, worum es geht. Und manchmal fehlt die Energie, der Bevölkerung sehr offen zu sagen, was eigentlich passiert. Da kann ich helfen», sagte der Bundespräsident. Zugleich sprach er der Kanzlerin seinen Respekt aus: «Ich könnte nicht, was sie kann und was sie gerade leistet.»
SDA/mw/mrs
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