Sweet Home: Nostalgie in Berlin und PotsdamSchlösser, Gärten, holländische Häuser und ein alter Ballsaal
Kommen Sie mit auf eine kleine Städtereise und entdecken Sie interessante Geschichten rund um Gebäude und Parks.

Nur wenn man zurückschaut, sieht man, wie weit man gekommen ist. Und auch, weshalb etwas so ist, wie es ist. Diese kleine Reisegeschichte ist ein doppeltes Zurückschauen, denn ich machte sie im Pandemiejahr auf Einladung der deutschen Zentrale für Tourismus. Bloss wieder mal weg: Das war damals besonders angesagt und scheint bis heute anzuhalten. Leider kam nach der Reise gerade wieder eine Pandemiewelle und die Erinnerungen blieben in der Schublade stecken.
Auch wenn nun bald der Frühling kommt und ich damals im Herbst in Berlin und Potsdam war, finde ich, dass eine kleine Portion Nostalgie gerade guttut. Nostalgie lässt träumen, weckt die Sehnsucht und regt die Fantasie an. Nostalgie war nämlich mein persönlicher roter Faden auf der kurzen Städtereise. Natürlich sahen wir auch viel anderes – ein Wissenschaftsmuseum, interessante moderne Architektur und gar ein altes Gefängnis. Aber wenn man sich an Reisen zurückerinnert, schälen sich genau die Dinge heraus, die direkt ins Herz trafen.

Interessant und inspirierend war für mich der Besuch im Humboldt Forum, das damals noch im Bau war, aber seit Juli 2021 für das Publikum geöffnet ist. Es ist ein Symbol der Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – Eigenschaften, die meiner Meinung nach in Berlin überall von wichtiger Bedeutung sind.
Berlin hat mich übrigens nie wirklich angezogen. Meine coolen Zürcher Freunde schwärmten schon immer von dieser Stadt und reisten dauernd dorthin. Ich aber ging lieber nach London, Paris und Mailand, in Städte, in denen ich mich fern vom Zürcher Alltagsleben fühle und mit denen mich eine lebenslange Liebe verbindet.
Doch nachdem ich mich, nicht zuletzt durch solche Reisen, vertiefter mit Berlin auseinandersetzte, habe ich meine Vorurteile und auch meinen persönlichen Snobismus verworfen. Ich will unbedingt einmal ganz privat im Sommer in diese Stadt, um mir all das genauer anzuschauen, was ich auf Pressereise als eine Art Appetizer geniessen konnte.

Viele der Schätze des Humboldt Forums standen verpackt und ausstellungsbereit in den neuen Räumen. Sie strahlten nicht nur eine gewisse Poesie aus, sondern zeigten, dass hier mit der Vergangenheit behutsam umgegangen wird. Dasselbe offenbarte sich an jedem Ort und wurde von allen jeweiligen Experten mit Nachdruck vermittelt. Mich haben die Erzählungen über Humboldt und sein Vermächtnis so neugierig gemacht, dass ich später in der KDW-Buchhandlung eine Humboldt-Biografie kaufte: «Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur» von Andrea Wolf. Sie liest sich so spannend und leicht wie eine Abenteuergeschichte und liess mich auch die Freunde Humboldts, etwa Goethe, aus einem ganz neuen Blickwinkel sehen.

Irgendwann später gab es ein köstliches Abendessen im Clärchens. Wir sassen in einem verträumten Wintergarten, assen einen Sommersalat mit Buttermilchdressing, Zander mit Schmorgurken und ein Dessert, das «Berliner Luft» hiess und voller Beeren war. Alles war nicht nur köstlich, sondern auch altmodisch und charmant. So ganz anders als das coole hippe Berlin, von dem mir meine trendy Freunde immer vorschwärmten. Die Tatsache, dass diese beiden Seiten Berlins sich so entspannt verbinden, hat aber auch in mir die Liebe zu dieser grossen Stadt geweckt.

Im Clärchens war da noch eine ganz besondere Tür. Diese führte noch weiter zurück in die Vergangenheit und an einen Ort, der im (hoffentlich) ewigen Dornröschenschlaf vor sich hin schlummert: der Spiegelsaal. Das ist ein Ballsaal, in dem man immer noch tanzt. Er hat den Krieg überlebt, die DDR-Zeit und die bauwütige Gegenwart.

Clärchens Ballhaus gibt es seit 1913. Es gehörte Clara Bühler und ihrem Mann Fritz und wurde bald als «Clärchens» bekannt. Das Ballhaus blieb in Familienbesitz, bis ein Erbe es 2003 verkaufte. 2018 übernahm dann Yoram Roth. Der Fotograf und Unternehmer hat unter anderem mit den Fotografie-Museen Fotoriska in Stockholm, New York und Tallin erfolgreich Kunst, Kommerz und Kulinarik zusammengebracht.

Die Räumlichkeiten im Clärchens Ballhaus sind ein Paradies an Patina und wirken wie eine zum Leben erweckte Filmkulisse. Selbstverständlich wurden hier auch Filme gedreht, wie zum Beispiel «Inglourious Basterds» von Quentin Tarantino. Im Saal finden Veranstaltungen, Tanzkurse und Tanzabende statt.

Eine andere Art von Zeitreise bietet der Neue Garten in Potsdam, wohin wir mit dem Zug reisten. Er wurde von Friedrich Wilhem II. ab 1787 angelegt. Er sollte sich vom barocken Garten von Sanssouci abheben und ist voller interessanter, zum Teil seltsamer Bauten. Dieser Pavillon ist die Gotische Bibliothek, die als private, königliche Bibliothek genutzt wurde.

An Hobbits lässt ein völlig anderes Gebäude denken, das Borkenhäuschen. 1796 vom Hofzimmermeister Johann Gottlob David Brendel errichtet, diente es als Küchengebäude für die Muschelgrotte von Friedrich Wilhelm II. Diese wiederum wurde als versteckter Rückzugsort für Teestunden gebaut.

Der Neue Garten grenzt an den Heiligen See und an den Jungfernsee. Wenn man durch den Garten und seine Gebäude flaniert, sieht man am andern Ufer fantastische Villen. Eine davon sticht, weiss leuchtend, wie ein Schloss heraus und gehört dem Modedesigner Wolfgang Joop.

Natürlich besuchten wir auch das Schloss Cecilienhof, das in der Nähe des Neuen Gartens steht. Es erlangte Berühmtheit mit der Potsdamer Konferenz, an der die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die Zukunft Deutschlands bestimmten. Es wurde im Stil eines englischen Landhauses aus der Tudorzeit erbaut und als letzter Schlossbau der Hohenzollern in den Jahren 1913–1917 errichtet. Bis 1945 diente es der Familie des Kronprinzen Wilhelm als Wohnsitz und ist nach seiner Frau, Kronprinzessin Cecilie, benannt. Heute ist es ein Museum und wirkte auf mich eher düster und schwer, deswegen spazierte ich viel länger durch den Garten.

Leicht, elegant und unglaublich grossartig war dafür Sanssouci, die barocke Sommerresidenz von Friedrich dem Grossen. In den wunderbaren Gärten fragte ich mich, wieso ich eigentlich noch nie hier war. Leider reichte die Zeit nicht, auch das Schloss zu besichtigen, was irgendwie eine Lücke hinterliess, die ich eines Tages ausfüllen werde. Gerade die Kombination vom coolen Berlin und dem charmanten Potsdam ist interessant und bietet zwei ganz unterschiedliche Welten, sehr nahe beieinander.

Der barocke Garten hat einen terrassierten Weinberg, bei dem die Weinreben hinter Glastüren wachsen. Friedrich der Grosse hatte sein Schloss und seinen Garten selbst geplant. Er liess sich auch seine Grabstätte dort anlegen. Jemand meinte – ich glaube, es war der Guide –, dass der König in seinem Grab auch seine Hunde begrub, um mit ihnen für immer zu ruhen.
Sein Nachfolger achtete aber die Wünsche des Königs nicht und liess ihn neben dessen Vater bestatten, zu welchem Friedrich II. kein gutes Verhältnis gehabt hatte. Erst 1991 wurde sein Wunsch erfüllt. Auf jeden Fall liebte Friedrich der Grosse seine Hunde über alles, was mit ein Grund ist, dass ich unbedingt mehr über diesen deutschen König lesen will. Hoffentlich finde ich ein solch spannendes und gut geschriebenes Buch wie die Humboldt-Biographie.
Da wir in Zürich mit dem Rechbergpark einen kleinen, bürgerlichen, Barockgarten haben, ich diesen sehr liebe und ihn schon mit Miss C., meinen ersten Hündchen, und nun mit Daisy sehr oft besuche, denke ich seit der Potsdamreise immer an das herrliche Sanssouci, an das Hunde-Königsgrab und daran, dass sich die Liebe mit der Ewigkeit verbindet.

Dieses Foto, einer meiner Handy-Schnappschüsse, wirkt wie ein gemaltes Bild aus einer anderen Epoche. Nicht etwa, weil es technisch perfekt wäre; es zeigt einfach Potsdam, wie es ist. Vieles in Potsdam wirkt nämlich so, als wäre man in einem Bild, in einem Buch, in einer anderen Zeit.

Zum Schluss kommen wir noch zu den hübschen holländischen Häusern. Sie stehen im Neuen Garten und in der Stadt. Unsere Guides betonten, dass die Holländer sehr beliebt waren. Sie kamen als Handwerker, hatten Manufakturen und waren berühmt für ihren Fleiss, ihr Können und ihre Häuslichkeit.
Das liess mich aufhorchen, denn in Holland entstand ja auch das schöne Wohnen und die Liebe zum Einrichten. Auch wenn man heute den Begriff «Home Sweet Home», der ja auch diese Kolumne betitelt, mit England verbindet, waren es die Holländer, die zuerst Ihr Zuhause wohnlich und hübsch machten. Die ersten Abbildungen von schön eingerichteten Räumen waren holländische Gemälde. Auch die ersten Vorhänge hingen in holländischen Häusern, und zwar nicht etwa, um die Sicht ins Haus zu verdecken, sondern um zu zeigen, dass hier Wohlstand herrscht. Stoffe wurden aufwendig von Hand hergestellt und waren früher ein Luxus. Auch Georges Simenon, dessen Maigret-Romane ich gerne lese, beschrieb immer wieder Holländerinnen als besonders gute Hausfrauen und deren Häuser als perfekt, heimelig und blitzblank.

So kommen die holländischen Häuser in Potsdam auch als typische Sweet Homes rüber. Sie vermitteln Idylle und entsprechen genau der Bilderbuchvorstellung, die man von perfekten hübschen Häusern hat. Das holländische Viertel in Potsdam wurde im 18. Jahrhundert gebaut. König Friedrich Wilhelm I., der Vater Friedrichs des Grossen – wegen seiner Liebe zum Militär wurde er auch Soldatenkönig genannt –, reiste einige Male nach Holland. Holland war im 18. Jahrhundert eine Weltmacht und ein Vorbild für ganz Europa.
So plante der preussische König, tüchtige Handwerker nach Potsdam zu holen, um dieser kleinen Garnisonsstadt zu mehr Grösse und Ansehen zu verhelfen. Er liess vom niederländischen Baumeister Jan Bouman ein holländisches Viertel bauen. Auf dem sumpfigen Grund waren die Erfahrung und das Können von holländischen Bauhandwerkern umso wichtiger. Friedrich II. liess nach dem Tod seines Vaters das Viertel fertig bauen. Nach der Wende wurde das holländische Viertel saniert und herausgeputzt und ist nicht nur als Wohnort beliebt, sondern auch für Besucher.
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