Junge vermisst PlüschtierRosi, wo bist du?
Der «Das Wundern von Bern»-Kolumnist wundert sich, welche Kreise ein vermisstes Plüschtier ziehen kann. Besonders, wenn es gar nicht verloren gegangen ist.

Rosi, die Füchsin, war weg. Seit Tagen hatten wir sie nicht mehr gesehen, und unser Zweijähriger war tieftraurig. Nicht nur er vermisste seine wichtigste Plüschgefährtin. Auch Biga die Bärin könne nicht ohne sie sein, sagte er.
Wir mussten Rosi zurückhaben – und zwar um jeden Preis. Der Schlachtplan war ausgeklügelt, mehrschichtig, engmaschig. Wir suchten unser Quartier systematisch ab, kleisterten es zugleich mit der Vermisstmeldung zu, auf der der typgleiche Plüschfuchs passenderweise sehr verloren in die Welt schaute. Wir posteten das Plakat auch auf allen möglichen sozialen Medien. Und wir suchten, für den Fall der Fälle, nach einem Ersatz. Dummerweise war die Produktion der Rosi-Klone schon eingestellt worden – und in der Schweiz war kein einziges Exemplar mehr im Handel.
Unser Rosi-Plakat wurde in Instagram-Storys von reichweitestarken Kanälen verbreitet, und das halbe Kirchenfeld fieberte mit. Kein Wunder, die Plakatedichte war wahrlich beachtlich. Das alles brachte nichts. Der Bub vermisste Rosi mit jedem Tag mehr. Bald schwand die Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Dann fanden wir Rosi. Im Auto.
Das nur schon aufzuschreiben, treibt, Wochen später, Schamesröte ins Gesicht. Ein wenig peinlich war es schon. Weit wichtiger aber: Der Bub war glücklich und hielt auf den Spaziergängen wieder sein Lieblingstier in den Armen. Was für ein Paar, herzallerliebst. Er wurde auch von wildfremden Menschen angesprochen. Ob das jetzt diese Rosi sei?
Die Geschichte war schon fast vergessen, als sich ein Kinderwarenladen aus Solothurn meldete. Man hatte uns geraten, dort nachzufragen, weil es sich um ein sehr wohlsortiertes Geschäft handle. Die Inhaberin, sich des möglichen Dramas eines Stofftierverlusts bewusst, hatte nach unserer Anfrage, ob sie noch ein Exemplar besitze, die deutsche Herstellerfirma kontaktiert und die Geschichte der vermissten Rosi erzählt. Worauf die Firma in ganz Deutschland ihre Händler anschrieb und fragte, ob irgendwo noch ein unverkaufter Plüschfuchs Typ Rosi vorhanden wäre. Und, welch Glück: Irgendwo in Pforzheim oder Ingoldstadt oder Bielefeld, keine Ahnung, fand sich noch so ein Fuchs. Er sei schon unterwegs zu uns, sagte die selige Solothurnerin am Telefon.
Ach du Schreck. Wir sagten ihr nichts vom Wiederauftauchen der faktisch gar nicht verschwundenen Rosi. Klar. Und deshalb haben wir bald einen Ersatz im Schrank. Eine Suchaktion wird also so schnell nicht mehr nötig sein. Irgendwie auch schade.
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