Ticker zum 1. Mai in der SchweizUnbewilligte Demos in mehreren Städten Info-Stände statt Umzug
In verschiedenen Schweizer Städten kam es zu 1.-Mai-Demonstrationen. Die befürchtete Konfrontation mit Corona-Skeptikern blieb aus. Wir berichten laufend.
Das Wichtigste in Kürze:
In mehreren Städten der Schweiz ist es am Tag der Arbeit zu Kundgebungen gekommen.
In Bern und Zürich fanden unbewilligte Demonstrationen statt.
In Basel versammelten sich weit über tausend Menschen zur 1.-Mai-Kundgebung.
Bis auf einzelne Scharmützel mit der Polizei blieb die Situation in den Städten friedlich.
Auch in Zürich hat sich die Situation beruhigt, die Demonstrationen haben sich aufgelöst. Vereinzelt führt die Polizei noch Personenkontrollen durch.
Gleichzeitig passiert sonderbares: Jugendliche sammeln Gummischrot und Flaschen auf, räumen die letzten Erinnerungen an den heutigen 1. Mai beiseite. Auch grössere Sachbeschädigungen blieben aus. So ordentlich war es nach einer 1. Mai-Demo in Zürich wohl schon lange nicht mehr.

Die Gewerkschaften im Kanton Bern haben den Tag der Arbeit wegen der Pandemie in kleinem Rahmen begangen. Schon vor Jahresfrist war der 1. Mai wegen der Pandemie komplett in den virtuellen Raum verlegt worden.
Die Gewerkschaften und linken Parteien führten daher nur wenige Aktivitäten im öffentlichen Raum durch. In Bern etwa waren sie mit Ständen präsent, sowohl in der Innenstadt als auch in den Quartieren. Das ermögliche Interessierten einen Stadtspaziergang als Alternative zum traditionellen Umzug, teilte der Gewerkschaftsbund der Stadt Bern und Umgebung mit.
Kleine 1.-Mai-Feiern standen in Biel und Thun auf dem Programm. Die Teilnehmerzahl war auf 100 Personen beschränkt. Es galt Sitz- und Maskenpflicht.
In Bern neigt sich die unbewilligte Demonstration mit mehreren Hundert Teilnehmern dem Ende entgegen. Bisher verlief die Kundgebung friedlich.
Beim Umzug durch die Stadt wurden die Demonstranten von mehreren Polizeiwagen begleitet. Auf dem Bundesplatz und in Bahnhofsnähe machten sie kurze Zwischenstopps, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

Die befürchtete Konfrontation von Gegnern der Corona-Massnahmen und Teilnehmern der 1.-Mai-Demo blieb bisher aus. Die Polizei markiert überall in der Stadt Präsenz.
An der 1. Mai-Kundgebung in St. Gallen haben am Samstag mehrere Hundert Menschen teilgenommen – weit weniger als in früheren Jahren vor der Corona-Pandemie üblich. Bei Nieselregen bewegten sich die Teilnehmenden durch die Innenstadt, wie eine Korrespondentin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.
In der Innenstadt wurden mehrere Reden gehalten. Die Stimmung blieb friedlich, und die Leute trugen Hygienemasken. Die Polizei war mit einem kleinen Aufgebot sichtbar vor Ort.
In der Stadt Baden im Aargau haben Unbekannte in der Nacht zum 1. Mai Dutzende von Fassaden und Schaufenster versprayt. Der Sachschaden dürfte sich gemäss der Polizei auf mehrere Zehntausend Franken belaufen.
Die Sprayereien in Form von Symbolen und Parolen hätten sich quer durch die Innenstadt gezogen, schreibt die Aargauer Kantonspolizei in einer Mitteilung vom Samstag. Gemäss ersten Erkenntnissen müsse die unbekannte Täterschaft etwa zwischen 02.30 und 04.00 Uhr am Werk gewesen sein.
Neben den Schmierereien hätten die Unbekannten an der Ruine Stein sowie beim Schlossbergplatz und auf dem Bahnhofplatz jeweils ein Transparent angebracht

Am traditionellen 1.-Mai-Umzug in der Genfer Innenstadt haben am Samstag bei Regen rund Tausend Menschen teilgenommen. Die Gewerkschaften und Verbände legten an der diesjährigen Kundgebung den Schwerpunkt auf soziale, feministische und klimatische Gerechtigkeit.
Nach Monaten der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und der Einschränkung des Demonstrationsrechts freute sich das Organisationskomitee, wieder auf die Strasse gehen zu können. Es wollte wiederum Forderungen der Arbeitnehmenden in der Öffentlichkeit bekannt machen.
Neben den Gewerkschaften und linken Parteien marschierten bei dem Umzug auch Mitglieder des Zukunftsstreiks und des Frauenstreiks mit. Sie kündigten Demonstrationen für den 21. Mai zugunsten des Klimas und am 14. Juni für die Rechte von Frauen an.

In Zürich sind aktuell verschiedene Gruppen unterwegs. Ein Polizeihelikopter überwacht die Szene von oben.
Die Polizei kesselt mehrere Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration ein. Dutzende Beamte stehen in Schutzausrüstung und mit mehreren Fahrzeugen und Gitterwagen im Einsatz. Vereinzelt fliegen Flaschen, vereinzelt wird Gummischrot eingesetzt.
Die Polizei teilte auf Twitter mit, dass sie einen Umzug nicht toleriere.
In der Berner Innenstadt hat eine unbewilligte 1.-Mai-Demonstration begonnen. An der Kundgebung nehmen mehrere hundert Personen teil.
Zum Protest aufgerufen hat ein «Berner Bündnis Revolutionärer 1. Mai». Die Organisatoren bemühten sich nicht um eine Bewilligung für ihre Demonstration. Sie riefen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber dazu auf, eine Schutzmaske zu tragen und Abstand zu halten.
Zeitgleich werden auf dem Bundesplatz über Lautsprecher Reden vorgetragen. Kastenwagen mit Polizeigrenadieren fahren langsam auf.

Bei einer Kundgebung in Zürich fahren gerade rund 150 Velos durch die Stadt. Dazu gesellen sich weitere Demonstranten zu Fuss. Die Demonstration ist unbewilligt, es sind mehr als den erlaubten 100 Teilnehmenden unterwegs. Es ist laut, unübersichtlich, aber friedlich.

Beim überdachten Bahnhofplatz in Bern hat sich eine Menschengruppe versammelt. Sie singen Lieder und tanzen. Offenkundig handelt es sich um Gegner der Corona-Massnahmen; viele tragen keine Masken.
Die Polizei markierte Präsenz und kesselte die Leute ein. Aschliessend wurden sie weggewiesen, wie die Polizei im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Es liegt keine Bewilligung für eine Kundgebung vor.

In Bern präsentiert sich die Sitation aktuell noch gesittet: Die Marktfahrer auf dem Bundesplatz bauen langsam ihre Stände ab, Demonstrierende sind keine auszumachen, dafür aber zahlreiche Polizisten – uniformiert und in zivil.
Wie der «Blick» schreibt, wurden in der Nähe des Bundeshauses auch Wasserwerfer und Kastenwagen positioniert.

In Basel gibt es erste Berichte von Ausschreitungen. Wie «20 Minuten» schreibt, haben Demonstranten Flaschen gegen Polizeiautos geworfen. Die betroffenen Personen sind dabei losgerannt. Die Polizei hat ihre Präsenz verstärkt.
Am Ende der Demonstration in Basel kommt es dem Bericht zufolge auch zu einem Handgemenge. Einige Teilnehmer der Kundgebung geraten aneinander. Die Stimmung ist aufgeheizt.
In Basel sind laut unserem Reporter vor Ort mittlerweile rund 2000 Menschen bei der Kundgebung zum Tag der Arbeit unterwegs. Die Demonstranten haben ein Banner an die Fassade des Basler Rathauses gehängt und eine Rauchbombe angezündet. Darauf ist zu lesen: «Wir tragen eure Krise nicht! Nicht auf den Staat vertrauen sondern in die eigenen Kräfte.»

In Zürich haben sich zu einer bewilligten Kundgebung der Unia rund 50 Menschen versammelt. Die Stimmung ist friedlich. Mit der Initiative «ein Lohn zum Leben», fordern sie einen Mindestlohn von 4000 Franken für die Stadt Zürich, Kloten und Winterthur. Auch die Polizei ist anwesend, hält sich aber im Hintergrund.
Aus Basel angereist ist Grüne Nationalrätin Sibel Arslan. Menschen mit geringem Einkommen seien besonders von der Pandemie getroffen, sagt sie. «Besonders alleinstehende Frauen, die in Teilzeit arbeiten. 30'000 Beschäftigte in Zürich arbeiten in Tieflöhnen. 17‘000 verdienen unter 4000 Franken im Monat», sagt Arslan weiter. «Hoch die internationale Solidarität» rufen die Anwesenden im Chor.

In Basel haben sich am Samstagmorgen auf dem Messeplatz mehrere Hundert Menschen zu einer bewilligten 1. Mai-Kundgebung versammelt. Sie liessen sich vom regnerischen und kalten Wetter nicht abhalten. Geplant war später ein Umzug durch die Innenstadt bis zum Barfüsserplatz.
Mit dabei sind unter anderem der Revolutionäre Block und der Gewerkschaftsbund. Die Polizei begleitet die bewilligte Demonstration.
Im Zentrum der Kundgebung stand die Forderung nach einem staatlich vorgegebenen Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde. Eine entsprechende Volksinitiative der Gewerkschaften wird am 13. Juni zur kantonalen Abstimmung kommen.

In Zürich haben die ersten Kundgebungen zum Tag der Arbeit bereits begonnen. Gerade marschiert das 1. Mai-Komitee in einem «symbolischen Umzug» im kleinen Rahmen durch die Stadt.
Eigentlich erlaubt der Bund auch grössere Kundgebungen, doch Zürich hat das Demonstrationsrecht verschärft: Maximal 100 Personen dürfen sich im Kanton zu einer Kundgebung zusammenschliessen.
Insgesamt hat die Stadt Zürich sieben Kundgebungen bewilligt. Fünf davon finden am Morgen zwischen 10.30 und 12 Uhr statt. Auf Plakaten und in den sozialen Medien rufen Autonome jedoch auch zu einer unbewilligten Kundgebung auf.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga und ihr SP-Bundesratskollege Alain Berset haben zum 1. Mai Solidarität gefordert. Die Arbeitsbedingungen seien wegen der Pandemie in Berufen mit niedrigen Löhnen schlechter geworden.
Alain Berset sagte in seiner Twitter-Ansprache vom Samstag, die Corona-Krise habe eines mit anderen Krisen gemeinsam: «Die Schwächsten leiden am meisten». Das gelte nicht nur für die gesundheitlichen Folgen sondern auch für die wirtschaftlichen.
Ungleichheiten würden weiter zunehmen, Jobs mit tiefen Löhnen seien besonders gefährdet. Vor allem treffe diese Krise die Frauen, sagte Berset. Viele hätten den Job verloren, vor allem Frauen in Berufen, welche die Gesellschaft stützten seien betroffen und wo Homeoffice keine Option sei, zum Beispiel im Verkauf, in Spitälern oder in der Pflege. Deshalb sei jetzt und auch nach der Pandemie Solidarität gefragt.
In Bern ist die Ausgangslage delikat: Linksautonome wollen am Samstag, dem Tag der Arbeit, in Bern auf die Strasse, um zu demonstrieren. Dies, obwohl im Kanton Bern für Kundgebungen eine Obergrenze von 100 Personen gilt. Gleichzeitig wollen sich auch Corona-Skeptiker am Nachmittag auf dem Bundesplatz versammeln.
Die Konstellation ist insofern heikel, als die linksautonome Szene den Corona-Skeptikern nicht gerade freundlich gesinnt ist, da in deren Reihen teils auch Personen mit rechtsradikaler Gesinnung auftauchen.
Die Polizei wird also gefordert sein. Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Gewerkschaften eine Aktion im kleinen Rahmen auf dem Bundesplatz planen. Diese ist von der Stadt bewilligt worden.
Am Tag der Arbeit wirbt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) für die soziale Wende. Die Corona-Pandemie schüttle die Welt und den Arbeitsmarkt durch, soziale und wirtschaftliche Narben seien die Folgen, so der SGB. Doch die Krise wecke auch den Mut für Neues.
Arbeiterinnen und Arbeiter dürften nicht die Kosten der Pandemie tragen. Deshalb sollen schlecht bezahlte Berufe aufgewertet und neue soziale Sicherheiten eingeführt werden, hiess es zum 1. Mai auf der SGB-Webseite. Anders als vor einem Jahr findet der Tag der Arbeit dieses Mal nicht nur im Internet statt. Schweizweit sind am Samstag verschiedene Anlässe geplant, einen Livestream gibt es aber auch dieses Jahr.
Am Livestream, der ab 10 Uhr aus der Kanzlei Turnhalle in Zürich übertragen wird, werden unter anderem Bundesrätin Simonetta Sommaruga, SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard, Unia-Präsidentin Vania Alleva, VPOD-Präsidentin und Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (Grüne) und Luca Visentini, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, zu Wort kommen.
Bundesrätin Sommaruga besucht jedes Jahr anlässlich des Tags der Arbeit eine Einrichtung oder einen Betrieb. Dieses Jahr stattete die Bundesrätin Verkäuferinnen und Verkäufern in Lausanne bereits am Freitag einen Besuch ab.

/aru
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