Prozess gegen Internetpiraten
Den Betreibern der Internettauschbörse Piratebay wird wegen des Verstosses gegen Urheberrechte der Prozess gemacht. Eine Verurteilung gilt juristisch als kompliziert.
Schwarze Flaggen mit weissen Totenköpfen, dem Logo der Piratebay, wehten am Montagmorgen vor dem Amtsgericht im Stockholmer Stadtteil Kungsholmen. Demonstranten, die sich selbst als Datenpiraten bezeichnen, wollten damit zum Auftakt des international beachteten Prozesses gegen die Piratebay ihre Solidarität für die Internetplattform bekunden.Den vier Betreibern der in Schweden ansässigen Piratebay werden Urheberrechtsverletzung und finanzielle Schädigungen der Unterhaltungsindustrie vorgeworfen. 115 Millionen Kronen (16 Millionen Franken) Schadensersatz sollen die jungen Männer laut Staatsanwaltschaft bezahlen.Mit mehreren Millionen Nutzern ist die Piratebay das bekannteste Internetforum für das kostenlose Herunterladen der neusten Hollywoodfilme, Musikalben, Computersoftware und anderen urheberrechtlich geschützten Produkten in digitaler Form. Auch im deutschsprachigen Raum wird die Plattform gerne und häufig genutzt.«Wie beim Rockkonzert»Jonas ist Student und einer der Demonstranten vor dem Gerichtshof in Stockholm. Die wenigen Besuchertickets für den Gerichtssaal waren gleich bei der Ausgabe weg. Deshalb harrt er nun mit anderen vor dem Gebäude aus, sagt er. «Da haben Leute morgens ihre ergatterten Tickets für 500 Kronen schwarz weitergegeben. Das war wie bei einem ausverkauften Rockkonzert», sagt der junge Mann. Der Prozess ist schon jetzt ein Medienspektakel. Erstmals wird in Schweden der Ton einer ganzen Verhandlung live übertragen. Natürlich im Internet.Jonas demonstriert, weil er findet, dass Kulturgüter prinzipiell umsonst sein sollten. Er wohnte lange in einem Studentenwohnheim in Stockholm, wo die Internetleitungen mit 100 Megabit pro Sekunde rund viermal so schnell sind wie anderswo. «Einen ganzen Spielfilm, der noch nicht einmal in den Kinos angelaufen war, konnte ich innerhalb von zehn Minuten mithilfe der Piratebay aus dem Netz auf meinen Computer ziehen», schwärmt er.Auch ein neues Musikalbum oder gleich sämtliche Alben der Beatles konnte er sich umsonst in ein paar Minuten aneignen. In einem Plattenladen, im Kino oder in einem Videogeschäft war er schon lange nicht mehr. Genau das wollen Hollywoodfilmvertreiber und Musikkonzerne nun unterbinden. Seit der Verbreitung von Tauschbörsen im Internet leiden sie weltweit unter Absatzeinbrüchen.Der Prozess in Stockholm gilt als zukunftsweisend. Piratebay ist bei Weitem nicht der einzige Internetdienst seiner Art. Aber die schwedische Betreiberclique um den erst 24-jährigen Mitbegründer Gottfried Svartholm ist die einzige, die sich trotz Polizeirazzien und Millionenklagen provozierend und völlig offen zu ihrer Tätigkeit bekennt. Sie sei legal, meint Svartholm. Er lasse es deshalb auch gern auf einen Prozess ankommen. Auf Klagedrohungen des amerikanischen Warner-Konzerns antwortete er schriftlich und öffentlich: «Ihr könnt Euch Stacheldraht in den Hintern schieben. Schickt mehr Klagedrohungen, bei uns ist das Klopapier knapp.» Den US-Softwarekonzern Microsoft, dessen nahezu gesamte Software gratis über Piratebay verfügbar ist, informierte er auf einen Drohbrief hin höflich, dass Schweden noch kein US-Bundesstaat sei.Lediglich als Vermittler tätigAuch wenn kaum strittig ist, dass Piratebay der Kultur- und Softwareindustrie durch deren blosse Existenz Verluste zugefügt hat, könnte eine Verurteilung juristisch kompliziert werden. Denn selbst nach der Beschlagnahmung und Überprüfung der Piratebay-Computer konnten dort keinerlei illegal heruntergeladene Filme oder anderes Material gefunden werden. Die Piratebay ist lediglich ein sogenannter Torrent-Tracker, ein Vermittler von Daten. Sie verbindet weltweit Privatkonsumenten, die ihre Unterhaltungsgüter, zB. Filme, in Form kleiner, zerstückelter Datenpakete (Torrents) ins Internet legen und so miteinander urheberrechtlich geschützte digitale Produkte austauschen. Piratebay sei lediglich ein Suchdienst wie Google, so die Angeklagten.Die Piratebay-Gründer betonen, dass sie kein Geld verdienten. Die Anzeigen auf der gut besuchten Internetseite www.piratebay.org seien lediglich «Kleinkram», der zur Finanzierung der Server benutzt werde.Der Staatsanwaltschaft geht es beim Prozess vor allem darum, ein Exempel zu statuieren. Nach 20 Monaten Ermittlung erhob sie Anfang 2008 Anklage. Piratebay sei eine direkte Aufforderung zum Verstoss gegen das Copyright. Auch Haftstrafen gegenüber den Beteiligten seien möglich.Lange blieb Schwedens Regierung passiv gegenüber dem umstrittenen Internetdienst. Politiker fürchteten um Wählerstimmen. In Schweden geniessen die kecken Piratebay-Betreiber grosse Sympathie. Bei den Parlamentswahlen war sogar eine von jungen, rechtsliberalen und linken Wählern unterstützte «Piratenpartei» angetreten, deren einziger Programmpunkt der uneingeschränkt freie Datenverkehr im Internet und die Legalisierung von Unternehmungen wie der Piratebay war.Eine Delegation der amerikanischen Platten- und Filmindustrie machte dann beim Justizministerium in Stockholm Druck. Laut Medienberichten soll es gar Drohungen aus Washington gegeben haben, einen Handelsboykott gegen Schweden zu erwägen, falls nichts geschehe. Dann wurde die schwedische Polizei aktiv.Sympathie in den MedienDie schwedische Presse ist grösstenteils auf der Seite der Piraten, denen die sympathische «David gegen den Goliath»-Rolle zugeschrieben wird. Die Platten- und Filmindustrie habe schon im Voraus verloren. Bei einer Verurteilung würden weltweit wieder neue, ähnliche Plattformen gegründet. Schwedische IT-Forscher meinen zudem, dass die Unterhaltungsindustrie nicht so stark geschädigt werde, wie sie behaupte. Piratebay erweitere vor allem den Konsumentenkreis um Personen, die ohnehin nicht bereit gewesen wären, Geld dafür auszugeben. Die Unterhaltungsindustrie kann freilich auf ganz andere Studien verweisen und wird dies in Stockholm auch tun.>
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