Polizisten raten: «Schafft Plätze»
Roma fühlen sich wenig willkommen: Sie könnten nirgends anhalten, ohne in Konflikte zu geraten. Polizisten unterstützen die Forderung nach mehr Halteplätzen.

Wie berichten Medien über fahrende Roma? Dafür liefert auch der «Bund» ein Beispiel, etwa am Exempel Wileroltigen. Was denkt die sesshafte Mehrheit über Fahrende? Das offenbaren jeweils die Kommentarspalten. Jene, die aber im Mittelpunkt des Geschehens stehen, haben oft keine vernehmbare Stimme: nicht die reisenden Roma, und auch nicht die vor Ort handelnden Polizisten.
In Bern stellte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GVBV) einen Report vor, der den Blickwechsel wagt: Er stellt die Sicht der ausländischen Fahrenden – aber auch die Perspektive der Polizei – in den Mittelpunkt und liefert damit auch verblüffende Erkenntnisse.
Fürs Verblüffendste steht wohl der Zürcher Kantonspolizist André Honegger, der in Bern ganz dezidiert betonte: «Ich habe seit Jahren nur gute Erfahrungen mit Roma gemacht.» Als Bezirkschef des grössten Zürcher Polizeibezirks (Bülach) habe er erfahren, dass «man von Roma korrektes Verhalten erwarten darf, wenn man selber korrekt auftritt» – und den Kontakt aktiv suche, «vielleicht auch mal ohne Uniform». Dabei sei Zürich nicht einmal ein gutes Beispiel: «Es gibt kantonsweit schlicht keine regulären Haltemöglichkeiten für Roma.» Jede Ankunft führe zur anspruchsvollen Lösungssuche.
Honegger steht mit seiner Haltung durchaus für den Grundtenor, den die im GFBV-Report interviewten Kantonspolizisten aus den Kantonen Aargau, Bern und Thurgau zum Ausdruck brachten: Die konkreten Erfahrungen mit Roma seien oft gut, Abmachungen seien sehr oft verlässlich und eine Zunahme der Kriminalitätsrate sei dort, wo ausländische Fahrende sich niederliessen, «nicht feststellbar». Gleichzeitig überstiegen aber die Erwartungen an die Polizei das Übliche oft bei Weitem.
Hauptproblem heisst Platzmangel
Laut Honegger bedeutet das etwa, dass die Polizei die ganz konkreten Fragen regeln müsse, die sich stellten, wenn ein Konvoi von Roma anreise. Wo gibts Platz? Braucht es Wasser, Strom? Woher kriegt man Toiletten? Honegger: «Am Schluss ist es immer die Polizei, die das Problem lösen muss.» Die Haupterschwernis sei dabei der Platzmangel an sich, also der Mangel an offerierbaren Lösungen. Es brauche, so Honegger, «dringend mehr Transitplätze». Dem pflichten die interviewten Polizisten aus den Kantonen Aargau, Bern und Thurgau zu. Und: Die Stimmung im Dialog mit den fahrenden Roma kippe jeweils dann, wenn die Polizei «für die Versäumnisse der Politik» hinstehen und die Nachricht überbringen müsse, «dass es keinen Platz für sie gibt». Das erhöhe das «Konfliktpotenzial» zwischen fahrenden Roma und Polizeikräften.
Die interviewten Roma ziehen auffällig ähnliche Schlüsse wie die Polizisten: Hauptproblem und Hauptkonfliktquelle sei der Mangel an Plätzen, die ausländische Fahrende überhaupt noch ansteuern dürften. Deren Zahl ist über die letzten Jahre hinweg deutlich gesunken. Einerseits sind im Zuge der regen Bautätigkeit in der Schweiz viele Brachen verschwunden, die als Halteplätze dienten. Anderseits verknappt die Segregation – die Trennung in Halteplätze für Jenische und Sinti aus der Schweiz und Plätze für ausländische «Transitreisende» – den Platz für Roma zusätzlich. Bis zu 1500 ausländische Gespanne bereisen im Hochsommer die Schweiz. Ihnen wird schweizweit Platz für 110 Wohnwagen offeriert. Das sei problematisch wenig, folgert die GFBV.
Mediator und Rom Andreas Geringer bedauert insbesondere die zunehmende Separierung: Viele Familien, Sinti und Jenische eingeschlossen, seien über die Landesgrenzen hinweg familiär vernetzt. Die Politik des Trennens sei somit «vor allem bedauerlich». Nebst der Platzfrage sehen die Roma laut GFBV-Report die Hauptkonfliktpunkte in den Pauschalisierungen und Vorurteilen, denen sie in der Schweiz in wachsendem Mass ausgesetzt seien, sowie in den alltäglichen Diskriminierungen und Beschimpfungen – und neu: in den Spannungen mit Schweizer Fahrenden.
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