Polizei in der Reitschule: Videos sollen Gewalt gegen Wehrlosen zeigen
Polizisten sind bei einem Einsatz in der Berner Reitschule tätlich geworden. Die Polizei will die Aktion nicht kommentieren, ein Rechtsexperte spricht von möglicher Körperverletzung.
Die Art und Weise, wie Polizisten im Perimeter Schützenmatte-Reitschule einschreiten, ist umstritten. Die Diskussion wird nun von am Donnerstag veröffentlichten Videoaufnahmen angeheizt. Die Aufnahmen stammen von einem Einsatz im Innenhof der Reitschule, der am Donnerstag vergangener Woche stattfand. Darin ist zu sehen, wie eine Gruppe Polizisten in Zivil einen am Boden liegenden Mann fesseln. Als der Mann abgeführt wird, verpasst ihm einer der Polizisten einen Kniestoss. In weiteren Aufnahmen ist zu beobachten, wie der selbe Polizist einen von hinten an den Einsatzkräften vorbeigehenden Mann in blau wuchtig zu Boden stösst.
Die geschnittenen, anonymisierten Aufnahmen wurden von der Mediengruppe der Reitschule verbreitet. «Die Reitschule ist einmal mehr entsetzt über das Verhalten der Kantonspolizei», schreibt sie. Der Vorfall sei «ziemlich repräsentativ» für solche Einsätze. Immer wieder komme es zu unnötigen Eskalationen durch die Polizei und zu Gewalt gegen Personen, die keine Bedrohung darstellten.
Der «Bund» hat die Aufnahmen in ganzer Länge einsehen können. Die Videos zeigen eine Menschenmenge, die die Einsatzkräfte konfrontiert und laut gegen die Festnahme protestiert, sich aber nicht tätlich einmischt. Die Einsatzkräfte scheinen mehrmals Pfefferspray gegen die reklamierenden Personen einzusetzen. Als der Mann in blau umgestossen wird, wird ein Polizist von einem geworfenen Gegenstand getroffen. Darauf reagiert der Polizist irritiert, scheint aber nicht verletzt worden zu sein.
«Ganz zum Schluss wurde ein Gegenstand in die Richtung der Polizei geworfen. Die Reitschule bedauert, dass es zu dieser Eskalation gekommen ist», schreibt die Mediengruppe in ihrer Mitteilung. Die Eskalation sei jedoch durch den grossflächigen Reizgaseinsatz und den Angriff auf den unbeteiligten Passanten aktiv von der Polizei herbeigeführt worden. «Mehrere Anwesende riefen alle Beteiligten zur Deeskalation auf.»
Körperverletzung und Amtsmissbrauch?
Professor Jonas Weber vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern hat sich die Videos auf Anfrage des «Bund» in ganzer Länge angesehen. «Ich sehe hier zumindest versuchte einfache Körperverletzung gegen einen Wehrlosen», sagt er über den Angriff gegen den festgenommenen Mann. «Parallel dazu gibt es den Tatbestand des Amtsmissbrauchs.» Bei Festnahmen sei Polizeigewalt unter Umständen gerechtfertigt. «Vom abgeführten Mann geht aber keine Gefahr aus. Der Polizist verübt ein Offizialdelikt, wenn er gegen eine wehrlose Person tätlich wird», sagt Weber. Dass an den beiden in den Aufnahmen aufgezeichneten Vorfällen der selbe Polizist beteiligt war, sei ein Indiz dafür, dass er vorsätzlich agiere. Dieser Polizist sei der Reitschule bekannt, schreibt die Mediengruppe.
Die Kantonspolizei bestätigt auf Anfrage den Einsatz. Es habe sich um eine gezielte Aktion gegen Betäubungsmittelhandel auf der Schützenmatte gehandelt. Nachdem Drogenhandel eindeutig festgestellt worden sei, hätten sich zwei Personen einer Kontrolle entzogen und seien in den Innenhof der Reitschule geflüchtet. Als die Polizeiangehörigen gefolgt seien, seien sie «massiv gestört» worden: Zwei Dutzend Anwesende hätten sie verbal und später auch tätlich angegriffen. «Die Polizisten wurden geschubst, weggezerrt und mit mehreren Flaschen und einem Stein beworfen», sagt ein Sprecher. Aus diesem Grund habe Pfefferspray eingesetzt werden müssen. Drei Polizisten seien leicht verletzt worden.
Erneut eine Ombudsstelle gefordert
Trotzdem habe man einen der geflüchteten Männer anhalten können. Er habe sich massiv widersetzt und werde wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Hinderung einer Amtshandlung angezeigt. Fünf weitere Männer seien angehalten und insgesamt elf Anzeigen erstattet worden.
Mit Blick auf «die erneuten Angriffe auf unsere Polizistinnen und Polizisten und wiederholte Vorwürfe» will die Polizei die in den veröffentlichten Videos gezeigten Szenen und die Einschätzung von Rechtsprofessor Jonas Weber nicht kommentieren. «Die Sequenzen sind aus dem Kontext gerissen und widerspiegeln weder die Begleitumstände noch die Situation der Ereignisse vor Ort», sagt der Sprecher.
«Vor Gericht werden Polizisten und Polizistinnen so gut wie nie verurteilt», schreibt die Mediengruppe der Reitschule. «Wenn man als Opfer Anzeige erstattet, muss man mit einer Gegenanzeige rechnen, weil man sich nur bei der Polizei über die Polizei beschweren kann.» Aus diesem Grund fordert die Reitschule erneut eine unabhängige Ombudsstelle für Beschwerden gegen die Kantonspolizei.
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