Politiker empört über Medikamenten-Preispoker
150 Kinder mit Cystischer Fibrose sind Opfer eines Preiskampfs, den eine US-Pharmafirma mit dem Bund führt. Jetzt wird eine raschere Zulassung gefordert.

Gegen 1000 Menschen leiden in der Schweiz an der Erbkrankheit Cystische Fibrose (CF), die mit der Zeit die Lunge zerstören kann. Allerdings steht seit einigen Jahren mit dem Medikament Orkambi eine Therapie zur Verfügung, die den Verlauf der Krankheit bremsen kann. Doch Orkambi ist in der Schweiz noch nicht kassenpflichtig, was an der Preisforderung der Herstellerfirma Vertex liegt. Das zuständige Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist nicht bereit, jährliche Therapiekosten von 170'000 Franken zu akzeptieren.
Die Krankenkassen können das Medikament auf Gesuch hin dennoch übernehmen, über eine Ausnahmeklausel im Gesetz. Rund 100 CF-Patienten erhalten Orkambi vergütet. Keine Chance auf eine Vergütung haben jedoch zurzeit rund 150 Kinder und Jugendliche, die an CF leiden. Weil es sich um ein Geburtsgebrechen handelt, ist die Invalidenversicherung für die Kostenübernahme zuständig. Die IV hat Vertex angeboten, vorläufig den vom BAG in der Verhandlung offerierten Preis zu zahlen. Hätte Vertex schliesslich einen höheren Preis durchgesetzt, hätte die IV die Differenz nachbezahlt. Doch Vertex lehnte das Angebot der IV ab.
Preis gemäss Therapieerfolg
Der Verhandlungspoker auf dem Buckel der Patienten löst bei Patientenvertretern und Politikern Empörung aus. Die Schweizerische Gesellschaft für Cystische Fibrose fordert eine Beschleunigung des Zulassungsprozederes. Zudem brauche es ein neues Verfahren, mit dem über die Vergütung nicht kassenpflichtiger Medikamente entschieden wird. Neu soll das BAG die Kriterien festlegen, aufgrund derer eine Kostenübernahme beurteilt wird. Zur Beurteilung der Fälle soll ein neues Gremium eingesetzt werden. Heute obliegt der Entscheid der einzelnen Kasse.
Die Patienten dürften zudem nicht unter den langwierigen Preisverhandlungen zwischen Behörden und Industrie leiden, kritisiert Reto Weibel, Co-Präsident der CF-Gesellschaft. Hier sei das BAG gefordert. Künftig müssten die Fachärzte und die Patienten in den Zulassungsprozess einbezogen werden. Sie könnten aufschlussreiche Angaben zur Wirksamkeit einer Therapie machen. Diese Informationen müssten dann bei der Preisfestsetzung berücksichtigt werden.
Auch CVP-Nationalrätin Ruth Humbel fordert ein rascheres Verfahren, um über die Kassenzulässigkeit zu entscheiden. Zudem fordert sie für nicht kassenpflichtige Medikamente eine Abgeltung in Abhängigkeit zum Therapieerfolg. Einem entsprechenden Vorstoss hat der Nationalrat 2017 zugestimmt, der Ständerat lehnte ihn aber ab. Nun erwägt Humbel eine Neuauflage. Sie stösst sich zudem daran, dass der Bund ausgerechnet bei den teuren und nicht kassenpflichtigen Medikamenten den Entscheid über die Bezahlung an die Versicherer delegiert hat.
Drohung mit Zwangslizenz
SP-Nationalrat Angelo Barrile stört sich an der Willkür bei der Bezahlung von Medikamenten, die nicht auf der Liste der kassenpflichtigen Präparate sind. Das Verfahren müsse so geändert werden, dass der Zugang zu einem Medikament nicht mehr von der Kasse abhänge. Barrile sieht im vorliegenden Fall die Verantwortung vor allem beim Pharmaunternehmen. Das BAG könne nicht jeder Preisforderung nachgeben und müsse die Zulassung auch an das Kriterium der Wirtschaftlichkeit knüpfen.
Eine Möglichkeit sieht Barrile in der Einführung von Zwangslizenzen. Der Bund könnte eine andere Firma beauftragen, ein patentgeschütztes Medikament herzustellen, wenn der Patentinhaber auf einem überrissenen Preis beharre. Möglicherweise wäre dies bei Orkambi zwar nicht praktikabel. Aber die Drohkulisse einer Zwangslizenz würde Pharmafirmen allenfalls davon abhalten, die Zulassungsbehörden zu erpressen, sagt Barrile.
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