Gute KonjunkturdatenRezession? Nicht in China
Die grösste Volkswirtschaft der Welt wächst im dritten Quartal um 5 Prozent. Das Land könnte allerdings von einem Post-Corona-Effekt getroffen werden.

Es ist ein Ritual: Bereits Wochen bevor das nationale Statistikamt in Peking die Quartalszahlen bekannt gibt, versuchen sich Analysten als Wahrsager. Die grossen Finanznachrichtenagenturen sammeln die Vorhersagen ein und veröffentlichen den Mittelwert – so auch in diesen Tagen. Um 5,5 Prozent werde die chinesische Volkswirtschaft im dritten Quartal wachsen, lautete die Prognose bei Bloomberg. Zum selben Ergebnis kam eine Umfrage des chinesischen Wirtschaftsmagazins Caixin. Ein Plus von 5,5 Prozent, und das mitten in der Corona-Krise.
Pünktlich um zehn Uhr Ortszeit am Montag verkündeten die chinesischen Statistiker dann die offiziellen Zahlen: Die zweitgrösste Volkswirtschaft legte demnach im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,9 Prozent zu. Das ist zwar weniger, als viele Analysten gehofft hatten, dennoch reicht das Ergebnis aus, um den Einbruch im Frühjahr auszugleichen. Laut Angaben der Behörde wuchs die chinesische Wirtschaft in den ersten neun Monaten des Jahres um 0,7 Prozent.
Im ersten Quartal hatte die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt wegen der Pandemie einen historischen Einbruch von 6,8 Prozent erlebt. Zum ersten Mal seit Beginn der offiziellen Aufzeichnungen der Quartalszahlen im Jahr 1992 hatte China ein negatives Wirtschaftswachstum verzeichnet. Die Furcht war damals gross, dass die Volksrepublik 2020 zum ersten Mal seit 1976 in eine Rezession schlittert. In jenem Jahr war gerade Staatsgründer Mao Zedong gestorben und die Kulturrevolution beendet worden.
Die einzige grosse Volkwirtschaft mit Wachstum
An einer Rezession kommt China nun wohl vorbei – als eines der ganz wenigen Länder der Welt. Seit Monaten gibt es kaum noch neue Infektionen in China, so dass sich das Leben und die Wirtschaftstätigkeiten wieder normalisiert haben. Die strengen Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, etwa das Abriegeln von Millionenstädten, die strikte Isolation und die Einreisesperren, haben sich als effektiv erwiesen. Die Volksrepublik konnte das Virus schneller unter Kontrolle bringen als viele andere Staaten.
Ökonomen gehen davon aus, dass China in diesem Jahr die einzige grosse Volkswirtschaft sein wird, die das Jahr mit einem positiven Wachstum abschliessen kann. Die Erholung gehe schneller als erwartet voran, hiess es vergangene Woche in einer neuen Prognose des Internationalen Währungsfonds. Demnach werde die chinesische Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 1,9 Prozent zulegen, das sind 0,9 Prozentpunkte mehr als in der Juni-Schätzung. Für 2021 rechnet der Währungsfonds unverändert mit einem Wachstum von 8,2 Prozent.

Zum Beispiel für Deutschland wird zunächst ein Rückgang um 6,0 Prozent in diesem Jahr und dann ein Anstieg um 4,2 Prozent erwartet. In den Vereinigten Staaten wird die Wirtschaft gemäss Prognose 2020 um 4,3 Prozent schrumpfen, um dann im kommenden Jahr um 3,1 Prozent zu wachsen.
Doch auch die chinesischen Zahlen sind nicht nur Eitel Sonnenschein. Der Treiber des Wachstums ist vor allem die Industrieproduktion. Um 5,8 Prozent legte diese laut Statistikbehörde im dritten Quartal zu. Die Autobranche etwa frohlockt bereits, dass die Absatzzahlen trotz Corona über dem Plansoll liegen – ein guter Indikator sind diese Zahlen jedoch nicht. Die Furcht vor dem Virus hat viele Familien dazu bewogen, ein neues Auto anzuschaffen: besser im eigenen Wagen fahren als in Bus oder U-Bahn eine Ansteckung riskieren. Es sind allerdings häufig vorgezogene Investitionen. Wer heute ein Auto kauft, fährt es auch im kommenden Jahr. Danach könnte sich ein Post-Corona-Effekt in den chinesischen Bilanzen bemerkbar machen.
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