Pandemie – und Strategie?
Am 30. April melden die Medien am Mittag, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe bezüglich des Virus AH1N1 (ehemals Schweinegrippe genannt) die zweithöchste Pandemiealarmstufe, nämlich 5, ausgelöst. Während am Mittag in den Nachrichten für die Schweiz die Stufe 4 gemeldet wird, finden wir praktisch gleichzeitig im Teletext, dass Herr Professor Thomas Zeltner, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), für unser Land die Stufe 5 festlegt. Spezielle Massnahmen seien für den «Normalbürger» keine zu treffen, es gelte aber, auf das Küssen zu verzichten, die Hände gut zu waschen und zu Mitmenschen eine Sicherheitsdistanz von 1.5 Metern einzuhalten. Letzteres dürfte sich im Tram, Bus und Zug wohl etwas schwierig erweisen. Glücklicherweise sei die Schweiz vorbereitet und mit guten Pandemieplänen gerüstet. Am Abend des 30. April finden wir auf der Webseite des BAG weder einen Hinweis auf die geltende Pandemiealarmstufe noch klare Verhaltensregeln. Immerhin steht, wohin labordiagnostische Proben in Verdachtsfällen zu senden seien. Wer ist denn verdächtig? Da steht: Wer typische Grippesymptome aufweist und sich in den vergangenen sieben Tagen in einem betroffenen Gebiet gemäss Situationsplan aufgehalten hat. Neben Mexiko, den USA und Kanada finden wir auf diesem Plan die Länder Spanien, Grossbritannien, Österreich, Deutschland und die Schweiz. Sind nun alle Patienten mit grippalen Symptomen aus der Schweiz und dem umliegenden Europa Verdachtsfälle? Wohl kaum.Ein Anruf bei der Hotline des BAG um 18 Uhr hilft trotz allen Bemühungen nicht weiter, ich werde aber freundlich an eine Spezialnummer des BAG verwiesen. Ein Anrufbeantworter teilt mit, diese Nummer könne jetzt nicht bedient werden. Guter Rat ist teuer. Das Kantonsarztamt hat uns im Spital immerhin ein Ablaufdiagramm aus dem Jahr 2006, die Vogelgrippe (H5N1) betreffend, gefaxt. Offenbar ist man beim Kanton der Meinung, AH1N1 verhalte sich identisch wie das H5N1-Virus. Auf dem Algorithmusblatt steht eine Kontaktnummer unseres Kantonsarztes, auf welcher rund um die Uhr Verdachtsfälle binnen zwei Stunden zu melden seien. Also rufe ich dort um 18.30 Uhr an: Der Anrufbeantworter teilt mir mit, man solle sich in dringenden Fällen an die Notrufzentrale der Kantonspolizei wenden. Kein dringender Fall; also besuche ich die Webseite des Kantons Bern: Die vermeintlich einzige vernünftige (?) Hilfe darauf ist der über 100 Seiten umfassende Pandemieplan. Da nirgendwo steht, welche Stufe im Kanton Bern respektive in der Schweiz gilt, suche ich die Pandemiealarmstufe 5. Ungläubig stelle ich fest, dass bei der Umsetzung dieses Plans auf Stufe 5.1 und 5.2 das normale Arbeitsleben im Kanton erheblich beeinträchtigt würde. Es steht unter anderem, dass unsere Regierung bei Pandemien stets offen und hilfreich informiert, damit ja keine Panik ausbricht. Ich gehe zurück an meine Arbeit, wissend, dass die Obrigkeit jetzt wohl nach der Predigt beim Wein sitzt. An meine Mitarbeiter geht die Weisung, vernünftig zu entscheiden – nach gesundem Menschenverstand – und bei effektiven Verdachtsfällen mit dem Inselspital in Verbindung zu treten.Seit Monaten hören wir von Herrn Professor Zeltner, dass die Spitäler Mortalitäts- und andere Zahlen als Qualitätsindikatoren – obwohl nicht einheitlich erfasst – öffentlich zu machen hätten. Es mangle an Qualität. Das BAG und der Kanton fordern zu Recht Qualität im Gesundheitswesen. Was darf der Bürger vom BAG und unserer Gesundheitsdirektion an Qualität erwarten?>
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