«Ohne Medaillen geht es nicht»
Heute finden an der OL-WM in Miskolc die ersten Finals statt. Der in Bern wohnhafte Langdistanz-Weltmeister Daniel Hubmann sprach vor der Abreise über Simone Niggli-Luder, sein Leben als Profi und seine Ziele in Ungarn.
Wie lebt es sich als Thurgauer in Bern?Daniel Hubmann: Die Stadt gefällt mir sehr gut, die Gegend rundherum ebenfalls. Steige ich zu Hause in der Länggasse aufs Velo, habe ich nach fünf Minuten das Gefühl, ich sei auf dem Land – ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. In Bern habe ich ausgezeichnete Trainingsmöglichkeiten.OL-Training in Stadt und Agglomeration – wie funktioniert das?Bin ich in Bern, arbeite ich primär an der Ausdauer. Die technischen Einheiten absolvieren wir vorab in den Trainingslagern. In der Region Bern ist auch Simone Niggli-Luder zu Hause. Welche Rolle hat die 14-fache Weltmeisterin in Ihrer Karriere gespielt?Als sie erstmals Weltmeisterin wurde, war ich noch Junior. Sie demonstrierte uns, dass es als Schweizer möglich ist, ganz vorne mitzumischen. Das verlieh mir einen kräftigen Motivationsschub und den Willen, auch einmal dorthin zu gelangen.Sind Sie angekommen?Das ist nicht vergleichbar. Ich bin einmal Weltmeister geworden, bei ihr zu Hause hängen ein paar Goldmedaillen mehr an der Wand. Ich denke nicht, dass ich in ihre Sphäre vordringen kann.Was zeichnet sie aus?Was ich an ihr bewundere, ist das Feuer, das immer noch in ihr brennt, obwohl sie schon so viel erreicht hat. Ich weiss nicht, ob ich in dieser Situation noch immer den Willen aufbrächte, mich derart ins Zeug zu legen.Niggli-Luder hatte jahrelang Gold abonniert. Sie waren sieben Mal EM- oder WM-Zweiter geworden, ehe der erste Titelgewinn folgte. Haben Sie stets die Ruhe bewahrt oder hin und wieder mit dem Schicksal gehadert?Es gab schon Momente, in denen ich zweifelte, sich in mir Frust aufbaute; einmal trennte mich nur eine Sekunde von der Goldmedaille. Anderseits wusste ich immer, dass ich noch viele Chancen haben würde.Wie war das Gefühl, als Sie vor Jahresfrist in Tschechien das ersehnte Gold gewannen?Die Erleichterung war riesig, der Druck weg. Einzelne Medien hatten mehrfach über den «ewigen Zweiten» berichtet. Das ging nicht spurlos an mir vorbei.Sie sind gelernter Schreiner, ein Handwerker in einer Sport- art, die auf höchstem Niveau primär von Akademikern betrieben wird. Haben Sie auf dem Weg zu Gold davon profitiert, sich harte Arbeit gewohnt zu sein?Ich weiss nicht, ob das eine Rolle gespielt hat. Auch Studenten können auf die Zähne beissen, wenn es nicht so gut läuft. Ich denke, dass ich vor allem während der Lehre härter kämpfen musste als andere.Inwiefern?Ich arbeitete acht, neun Stunden lang. Im Winter konnte ich anders als beispielsweise die Gymnasiasten nur in der Dunkelheit trainieren. Damals sah ich das nicht so eng. Rückblickend betrachtet war es eine harte Zeit.Führen Sie Ihre Erfolge eher auf Arbeit oder Talent zurück?Ohne Trainingsfleiss läuft in der Elite nichts. Talent ist aber zweifellos vorhanden, war ich doch schon in den Jugendkategorien immer bei den schnellsten. Wollten Sie schon als Kind Orientierungsläufer werden – oder standen auch andere Sportarten zur Diskussion?Ich habe nebenbei ein wenig Leichtathletik betrieben, aber schon als Zwölfjähriger gewusst, dass ich auf OL setzen werde.Was fasziniert Sie am Orientierungslauf?Die Nähe zur Natur und die Vielfalt. Jeder Wettkampf ist anders und dennoch irgendwie gleich. Egal, auf welchem Erdteil ich mich aufhalte, wie das Gelände aussieht, ob ich die Sprache verstehe: Ich erhalte eine Karte und kann mich orientieren. Das finde ich faszinierend.Muss ein Orientierungsläufer einen guten Orientierungssinn haben?Ich denke schon, obwohl der Orientierungssinn trainierbar ist. Ich jedenfalls kann mich in einer fremden Stadt meistens auf mein Gefühl verlassen. Anderseits habe auch ich mich schon verlaufen (schmunzelt). Sie sind seit zwei Jahren Profi. Wie lebt es sich in der Schweiz als Orientierungsläufer?Sehr gut, ich vermisse nichts.Reichen Ihre Einkünfte aus – oder können Sie sogar noch etwas ins Sparschwein werfen?Wer zu den Besten gehört, kann dank Sponsoren, Prämien und Preisgeld vom OL leben. Ich habe zuletzt auch etwas zur Seite legen können. Sollte ich jedoch zwei, drei Jahre schlecht abschneiden, würde es schwierig, über die Runden zu kommen. Ohne Medaillen geht es nicht.Diese Woche werden in Ungarn WM-Medaillen vergeben. Was haben Sie sich vorgenommen?Sehr viel, sind doch die Erwartungen nach der letzten WM, an der ich drei Medaillen gewann, auch bei mir hoch. Ziel ist, mindestens eine Einzelmedaille zu holen. Einfach wird es aber nicht. Im OL braucht es wenig – und man ist weg vom Fenster.Was rechnen Sie sich in der Staffel aus?Wir haben das Potenzial, ganz vorne einzulaufen. Ich hoffe, dass wir das in meiner Karriere irgendwann umsetzen können.Interview: Micha Jegge>
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