
Der bewährte Schweizer Strommix hat ausgedient: Die Atomkraft, die bislang rund 40 Prozent des Bedarfs abgedeckt hat, wird mittelfristig wegfallen. Seit der Reaktorkatastrophe 2011 in Fukushima herrscht hierzulande politischer Konsens, dass keine neuen AKW mehr gebaut werden. Neben den sicherheitstechnischen hat das auch finanzielle Gründe. Selbst einstige Fürsprecher der Technologie sind heute überzeugt: Der Betrieb eines Atomkraftwerks rentiert nicht mehr. Zu tief sind die Marktpreise für Atomstrom, zu hoch die Investitionen in die Sicherheit.
Damit der Ausstieg aus der Atomkraft gelingt, ist ein koordiniertes Vorgehen nötig. Ein solches zeigt das vom Parlament verabschiedete erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 auf, über das wir am 21. Mai abstimmen. Es setzt auf drei Elemente: mehr erneuerbare Energien, weniger Energieverbrauch und mehr Energieeffizienz. Zudem sollen die fünf bestehenden AKW noch so lange am Netz bleiben, wie sie die Atomaufsichtsbehörde des Bundes als sicher einstuft; der Bau neuer Anlagen wird aber gesetzlich verboten. Dadurch bleibt – anders als mit der im November abgelehnten Atomausstiegsinitiative – ausreichend Zeit, um den wegfallenden Atomstrom zu ersetzen.
Breit abgestützter Kompromiss
Die Vorlage ist als Kompromiss jahrelanger Verhandlungen breit abgestützt. Sie trägt die Handschrift einer Mitte-links-Allianz, der es mit Konzessionen gelungen ist, auch die Mehrheit der FDP an Bord zu holen. So sind etwa die Fördermittel für die erneuerbaren Energien zeitlich befristet. Ewige Subventionen werden dadurch verhindert. Für die SVP und Teile der Wirtschaft führt das Gesetzespaket jedoch zu weit; die Partei hat deshalb erfolgreich das Referendum ergriffen. Das ist zu begrüssen, denn der Urnengang ermöglicht es dem Stimmvolk erstmals, Stellung zu diesem weitreichenden Umbau der Schweizer Energieversorgung zu beziehen.
Doch anstatt die Chance zu nutzen und im Abstimmungskampf realistische Alternativen zum Reformprojekt aufzuzeigen, stiften die Gegner mit überzogenen Kostenprognosen gezielt Verwirrung – und diskreditieren sich mit diesen nachweislichen Falschaussagen in trumpscher Manier selbst. Dabei gäbe es durchaus berechtigte Kritik an der von Bundesrat und Parlament aufgegleisten Energiestrategie: Sie droht auf halbem Weg stehen zu bleiben. Die ambitionierten Reduktionsziele im Energiegesetz dürften ohne ein zweites Massnahmenpaket schwer zu erreichen sein.
Der Bundesrat hatte als zweite Etappe eine Klima- und Energielenkungsabgabe vorgeschlagen, doch der Nationalrat hat sie im März ersatzlos begraben. Zurzeit ist daher unklar, was nach der zeitlich begrenzten Förderphase für die erneuerbaren Energien folgen wird.
Kleineres Risiko
Diese Makel sind trotzdem kein Grund, das erste Paket abzulehnen. Denn die AKW nähern sich dem Ende ihrer Betriebsdauer – und politisch mehrheitsfähige, ökologisch sinnvolle und wirtschaftlich tragbare Alternativen zur Energiestrategie fehlen. Auf eine neue, allenfalls sicherere Generation von Meilern zu warten, wie es die Gegner nahelegen, ist keine Option.
Denn auf diese Weise verstriche wertvolle Zeit, ohne dass mittels gezielter Förderung das Potenzial der einheimischen erneuerbaren Energien genutzt würde. Stattdessen müsste die Schweiz mehr Strom aus dem Ausland importieren oder gar ein klimabelastendes Gaskombikraftwerk bauen. Dieses Risiko besteht zwar auch mit der Energiestrategie, es ist wegen der Investitionen in die erneuerbaren Energien und in die Energieeffizienz aber ungleich kleiner.
Damit reduziert die Energiestrategie 2050 die Unwägbarkeiten in einem Strommarkt, der sich im Umbruch befindet. Sie gibt den Stromproduzenten jene Planungs- und Investitionssicherheit, auf die sie dringend angewiesen sind. Bei einem Nein hingegen fehlen die stabilen Rahmenbedingungen auf unbestimmte Zeit weiter.
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Ohne Alternative
Die Energiestrategie 2050 ist zwar nicht perfekt, sie zeigt aber einen sinnvollen Weg auf, wie die Schweiz aus der Atomkraft aussteigen kann.