Nur ein Vorgeschmack?
Ein Selbstmordattentäter riss in Bagdad 59 Rekruten in den Tod. Weitere 125 erlitten Verletzungen. Im Irak tun sich kurz vor dem Teilabzug der US-Truppen wieder Abgründe auf. Obama wird wohl nicht mehr helfen.

Es war ein Morgen wie jeder andere vor dem Rekrutierungsbüro der irakischen Armee auf dem Gelände des ehemaligen Verteidigungsministeriums in Bagdad. Hunderte junge Männer stellten sich in einer Schlange an, um sich als Freiwillige der irakischen Armee anzuschliessen.
Jobs sind rar im Irak, die Armee wiederum braucht Männer, um nach dem geplanten Abzug der US-Kampftruppen aus dem Irak zum Monatsende den Kampf gegen Aufständische und Al-Qaida-Terroristen weiterzuführen.
Ein Mann in einer Armee-Uniform tauchte in der Menge auf und begann, die Namen der Wartenden aufzuschreiben, schilderte ein Augenzeuge das sich anbahnende tragische Geschehen gegenüber dem Fernsehsender al-Jazeera.
Irakische Sicherheitskräfte sind das Ziel
In der Hoffnung, bald in die Armee aufgenommen zu werden, drängten sich immer mehr Männer arglos um den Uniformierten. Den Sprengstoffgürtel unter seinem Rock konnten sie nicht sehen. Als ihn der dermassen getarnte Attentäter zündete, war es zu spät.
Er riss mindestens 59 Armee-Bewerber und Soldaten mit in den Tod. Der blutige Anschlag zeigte einmal mehr, dass sich die Aufständischen und Terroristen zunehmend auf die irakischen Sicherheitskräfte einschiessen.
Zerbrechliche Ordnung
Nach dem für Ende August geplanten Teilabzug der Amerikaner werden hauptsächlich sie für die Aufrechterhaltung der ohnehin zerbrechlichen Ordnung im Lande verantwortlich sein.
Ihre Feinde nutzen ihre Schwachstellen gnadenlos aus. Vor den Rekrutierungsbüros bilden sich stets grosse Menschenmengen, die praktisch ungeschützt sind - und gegen Selbstmordattentäter wie den «falschen» Uniformierten am Dienstag auch kaum zu schützen sind.
Häufig werden aber auch unbewaffnete Verkehrspolizisten aus vorbeirasenden Fahrzeugen erschossen oder isolierte Kontrollpunkte in gezielten Kommandoaktionen überfallen.
Symbolischer Ort
Der Anschlagsort barg auch eine gewisse Symbolik in sich. Vor etwas mehr als einem Jahr hatten die Amerikaner das ehemalige Verteidigungsministerium am Tigris-Ufer den Irakern übergeben.
Auch damals feierte man, mit wohlklingenden Reden und zackigen Paraden, einen US-Abzug. Das US-Militär rückte damals aus den Städten und bewohnten Gebieten im Irak ab. Das ehemalige Ministerium war die letzte US-Basis in Bagdad, die die Amerikaner räumten.
Die Strategie der durchaus nicht einheitlich operierenden Aufständischen ist klar: Sie wollen das Land erneut destabilisieren.
Rebellen wittern Morgenluft
Die Schwächung und Unterminierung der Sicherheitskräfte könnte den Irak an einen ähnlichen Abgrund führen, wie im Jahr 2006, als die irakische - und sunnitische - Al-Qaida den schiitischen Goldenen Schrein von Samarra in die Luft sprengte und damit einen erbarmungslosen Konfessionskrieg zwischen Schiiten und Sunniten entfesselte.
Das US-Militär ging damals unter seinem Kommandeur General David Petraeus mit einer zeitweiligen Truppenaufstockung um mehrere Zehntausend Mann in die Offensive. Ab Anfang 2008 begann sich der Irak infolgedessen zu beruhigen.
Mit dem nahenden Teilabzug wittern aber die Rebellen Morgenluft. Viele befürchten nun, dass es diesmal keine amerikanischen Extratruppen mehr geben wird, wenn die Lage im Land erneut zu explodieren droht.
SDA/bru
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