
Mit den Spaniern, Osteuropäern und allen anderen EU-Bürgern, die bei uns arbeiten und leben, hat die Schweizer Bevölkerung weniger Probleme, als die SVP vorgibt. Die klare Zustimmung zur Personenfreizügigkeit zeigt: Ob Konkurrenz am Arbeitsplatz, Zersiedelung, Sozialwerke – das Unbehagen ist begrenzt. Im Nachhinein erscheint das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative von 2014 als Betriebsunfall.
Klar hat die von Corona ausgelöste Wirtschaftskrise die Lust auf Protest gedämpft, der Bruch mit der EU hätte zusätzliche Verunsicherung ausgelöst. Aber auch so ist das inzwischen fünfte Ja des Stimmvolks zur Personenfreizügigkeit ein eindrückliches Zeichen für die Verbundenheit der Schweiz mit Europa.
Statt die Verlässlichkeit der Schweizerinnen und Schweizer zu würdigen, wird jetzt Brüssel aber wohl den Bundesrat unter Druck setzen, rasch das umstrittene institutionelle Abkommen zu unterzeichnen. Mit diesem Hebel will Brüssel sicherstellen, dass die Schweiz dort, wo sie am Binnenmarkt teilnimmt, ausnahmslos und konsequent heutiges und künftiges EU-Recht anwendet.
Der Bundesrat muss nun darauf drängen, dass Brüssel den Schweizer Sorgen stärker Rechnung trägt.
Zwar hat auch die Schweiz ein Interesse, die Beziehungen zur EU mit einem fixen Rahmen langfristig auf eine solide Basis zu stellen. Bloss hat das Abkommen in der vorliegenden Form beim Stimmvolk keine Chance. Zu gross sind die Befürchtungen, dass EU-Richter den hiesigen Lohnschutz aushebeln, EU-Bürger zu leicht Zugang zur Schweizer Sozialhilfe erhalten und unser Staat insgesamt zu viel Souveränität einbüsst. Der Wohlstand macht die mitten in Europa liegende Schweiz zum besonders exponierten Land.
Der Bundesrat muss nun darauf drängen, dass Brüssel den Schweizer Sorgen stärker Rechnung trägt. Mit kaum einem anderen Land in Europa hat die EU weniger Ärger – ein Entgegenkommen müsste also drinliegen. Falls Brüssel stur bleibt, muss der Bundesrat die Nerven behalten: Kein institutionelles Abkommen ist besser als ein schlechtes.
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Kommentar zur Begrenzungsinitiative – Nun ist eine Geste der EU fällig
Die Schweiz bekräftigt die Personenfreizügigkeit und erweist sich als verlässliche Partnerin der EU. Ein Rahmenabkommen um jeden Preis braucht es nun nicht.