«Niemand hat im Augenblick Sicherheit»
Olympische Spiele haben in ihrer langen Geschichte nicht nur diverse Krisen überlebt, sondern sind auch erfolgreicher geworden. Im Jahr 2009 stellt die Weltwirtschaftskrise das IOC vor eine besondere Herausforderung.
Ob Kriege, Terroranschläge, Naturkatastrophen oder weltpolitische Konfrontationen – die Olympischen Spiele haben im Laufe von 112 Jahren jede Krise gemeistert. «Niemand hat im Augenblick Sicherheit», sagt IOC-Präsident Jacques Rogge, doch gehe das Internationale Olympische Komitee (IOC) in «ausgezeichneter Verfassung» in das neue Jahr. Ob das so bleibt, muss sich erweisen. Viel hängt davon ab, wie das IOC mit seinem Chicago-Problem umgeht, an wen es am 2.Oktober in Kopenhagen die Olympischen Spiele 2016 vergibt und ob der neue US-Präsident Barack Obama dort eine Hauptrolle übernimmt. Dabei ist das IOC in starker Versuchung, Glaubwürdigkeit zu Gunsten von Profitdenken zu opfern. Rosige FinanzenNur die nähere finanzielle Zukunft sieht für das IOC rosig aus. Es hat bei einem Umsatz von rund 5 Milliarden Dollar (5,75 Milliarden Franken) in der abgelaufenen Vierjahresperiode sein Reservepolster auf 460 Millionen Franken erhöht, die Fernsehrechte für die kommenden Spiele in Vancouver 2010 und London 2012 für über 4 Milliarden Franken verkauft und 1 Milliarde Franken Sponsoreneinnahmen sicher. Für Ausfälle privater Gelder bei der Vorbereitung auf die nächsten Spiele liegen staatliche Garantien vor, was besonders für die Winterspiele 2014 in Sotschi bedeutsam ist. Die durch die Wirtschaftskrise besonders unter Druck geratene russische Regierung des Wladimir Putin haftet für ihr Prestigeobjekt mit knapp 14 Milliarden Franken. Gefährdet ist das von grossen Wachstumsraten verwöhnte Milliardenunternehmen IOC von 2013 an, und dabei hat es sein Chicago-Problem zu lösen. Nur wenn sich der US-Bewerber gegen Tokio, Madrid und Rio de Janeiro durchsetzt, kann der Dachverband bis 2016 sein finanzielles Wohlergehen und dasjenige seiner Partner garantieren. TV-Giganten drohenNBC als bisheriger Inhaber der US-Fernsehrechte und Konkurrenzunternehmen wie FOX und ESPN/ABC drohen mit einem Preisverfall ohne Chicago als Olympiastadt. Massstab sind jene 2,5 Milliarden Franken, die NBC für die Spiele in Vancouver 2010 und London 2012 bezahlt. Drohgebärden gibt es auch von Topsponsoren aus den USA. So hat McDonald's wissen lassen, nur wenn Chicago die Spiele bekäme, sei die Fortsetzung seines Engagements über 2012 hinaus sicher. Die Amerikaner fordern nun vom IOC, ihre Fernsehrechte erst nach der Kopenhagen-Wahl zu vergeben, nach dem Motto: erst die Ware, dann das Geld. Es wäre die Umkehrung jener unbestechlichen Regel, zunächst den Preis auszuhandeln und dann die Olympiastadt zu bestimmen. IOC in der KlemmeNun stecken Rogge und das IOC in der Klemme. Schliesst der Präsident vor dem 2.Oktober mit den Amerikanern ab, wird er erstmals in der olympischen Geschichte fallende Marketingeinnahmen in Kauf nehmen müssen. Wartet er mit den Verhandlungen ab, wird die Wahl der mehr als hundert IOC-Mitglieder auch zu einer Geldabstimmung: Jedes Votum für Chicago wäre eine Stimme für Mehreinnahmen. Kein Wunder, dass die Konkurrenten Tokio, Madrid und Rio de Janeiro eine solche Konstellation als krassen Wettbewerbsnachteil sehen und zahlreiche IOC-Mitglieder besorgt sind. Für Rogge ist es deshalb besonders wichtig, noch vor Kopenhagen eine schreiende Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen. So jedenfalls sieht es die Masse der 35 internationalen Verbände und der 204 NOKs. Nach einem seit 1988 geltenden Verteilerschlüssel kassiert das nationale Komitee der USA (Usoc) 20 Prozent der Einnahmen aus dem Topsponsorenprogramm und 12,75 Prozent Anteile an den Zahlungen des amerikanischen TV-Rechte-Inhabers. Auch das Usoc argumentiert: Wer mehr Einnahmen will, muss Chicago wählen, an unseren Prozentsätzen lassen wir nicht rütteln. Wie gerufen ist da die Wahl von Barack Obama zum Präsidenten der USA gekommen. Chicagos prominentester Bürger wird voraussichtlich als Stimmenfänger nach Kopenhagen kommen, vorsorglich haben die Amerikaner dort für die Oktoberwahl bereits tausend Zimmer gebucht. Rogge sagt, und er könnte dabei leicht missverstanden werden: «Es ist immer gut, wenn ein US-Präsident einen Kandidaten unterstützt, und da es nun um Chicago geht, würde es besonders hilfreich sein.» Günter Deister,dpa>
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