Neuhaus-Wahl ist rechtens
Christoph Neuhaus (svp) ist nun definitiv als Regierungsrat gewählt. Das Bundesgericht hat die Beschwerden gegen die umstrittene Wahl abgewiesen – auch wenn es die Kritik an der Wahl ohne Auswahl «nachvollziehbar» findet.
Am 24. Februar 2008 wurde in einer Ersatzwahl ein Berner Regierungsrat gewählt –doch die Wählerschaft hatte keine Wahl: Es gab nur einen einzigen angemeldeten Kandidaten, den SVP-Mann Christoph Neuhaus, und nach bernischem Wahlrecht konnte gültig nur für ihn gestimmt werden. Neuhaus wurde mit 102955 Stimmen gewählt, 48235 Wahlzettel waren leer, 19722 ungültig. Zudem beteiligten sich rund 47000 Leute, die gleichentags an kantonalen Abstimmungen teilnahmen, nicht an der Regierungsratswahl. Kritik an Wahl ohne AuswahlDer Berner Anwalt Rudolf Hausherr und der Burgdorfer Anwalt Daniel Kettiger reichten gegen Neuhaus' Wahl Beschwerde ein. Diese sei, so kritisierten sie, «keine demokratische Wahl» gewesen. Der Grosse Rat wies Hausherrs Beschwerde ab, und trat aus verfahrensrechtlichen Gründen auf Kettigers Beschwerde nicht ein. Kettiger und Hausherr gelangten ans Bundesgericht – doch dieses hat nun nicht nur Kettigers Eingabe abgewiesen, in der es um Verfahrensrecht ging (vgl. «Bund » von gestern). Die Lausanner Richter haben, wie ihr gestern publiziertes Urteil zeigt, auch Hausherrs Beschwerde abgelehnt. Dass das bernische Recht ein Anmeldeverfahren für Regierungsratskandidaten kennt und dieses lediglich in einem Dekret regelt, wollten die Bundesrichter – trotz gewisser Bedenken – nicht beanstanden. Eingehend aber setzten sie sich mit der inhaltlichen Kritik an der Ein-Kandidaten-Wahl auseinander. Wahlfreiheit verletzt?Die Wahlfreiheit gemäss Artikel 34 der Bundesverfassung gewährt den allgemeinen Anspruch, dass kein Wahlergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Vor diesem Hintergrund, so schreibt das Bundesgericht, sei die Rüge Hausherrs «nachvollziehbar», wonach die Verfassung verletzt sei, weil den Stimmberechtigten «keine echte Wahlmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe und die Wahl gewissermassen zum Plebiszit verkommen sei».Es sei nun aber nicht so, betonten die Bundesrichter, dass sich die Stimmberechtigten überhaupt nicht hätten äussern können. Sie hätten – gültig – Neuhaus wählen können. Sie hätten sich aber auch gegen den Kandidaten aussprechen können, indem sie einen leeren Zettel eingelegt oder einen anderen Namen aufgeschrieben hätten – was als ungültige Stimme gilt. Rund 70000 der insgesamt 170000 Stimmenden hätten leer eingelegt oder ungültig gestimmt. «Technisch gesehen», so bestätigte das Bundesgericht, seien diese Zettel zwar «ohne rechtlichen Wert», weil sie nach bernischem Wahlrecht zur Berechnung des absoluten Mehrs nicht zählten. Dennoch sei die Willensäusserung dieser 70000 Stimmenden nicht ohne Bedeutung. Darin sei «eine eigentliche politische Kundgabe zu erblicken, welcher unter dem Gesichtswinkel der mit einer Volkswahl verbundenen demokratischen Legitimation ein Aussagewert zukommt». «Hypothetische Frage» Ob es aber vor der Bundesverfassung standhält, leere und ungültige Wahlzettel bei der Ermittlung des absoluten Mehrs schlicht ausser Acht zu lassen – diese brisante Frage hat das Bundesgericht offengelassen. Denn, so rechnete es, selbst wenn man die rund 70000 leeren und ungültigen Stimmen als eigentliche Nein-Stimmen werten würde, wäre Neuhaus mit rund 100000 Stimmen (bei einem absoluten Mehr von rund 85000 Stimmen) gewählt gewesen. Hausherrs Rüge erscheine deshalb «hypothetisch» und nehme keinen Bezug auf die konkreten Verhältnisse. Das Bundesgericht hebe aber nur Entscheidungen auf, die sich «im Ergebnis als verfassungswidrig erweisen».Neuhaus ist erleichtertEr sei froh, dass die Angelegenheit nun definitiv vom Tisch und dass das Urteil so ausgefallen sei, sagte gestern Justizdirektor Christoph Neuhaus auf Anfrage. Die Beschwerde gegen seine Wahl, so erklärte er, habe in seiner bisherigen neunmonatigen Amtszeit aber nicht wie ein Damoklesschwert über ihm geschwebt. Zeitweise habe er sie sogar vergessen. Die juristische Seite der Geschichte ist jetzt – endlich –geklärt. Auf der politischen Ebene aber hat die umstrittene Neuhaus-Wahl bereits Folgen gezeigt: In der Septembersession hat der Grosse Rat parlamentarische Vorstösse überwiesen, die in vergleichbaren Fällen stille Wahlen ermöglichen wollen. Geprüft werden soll zudem, ob man künftig auf ein Anmeldeverfahren verzichtet will: Bei Regierungsratswahlen wären dann wieder alle Stimmberechtigten wählbar.>
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