Nachbarschaftsstreit auf der grünen Wiese
Seit Anfang Februar verhandelt Bern mit Besetzern auf dem Viererfeld. Bei einem Quartierverein sorgt das für rote Köpfe, denn «illegale Projekte» würden in Bern bevorzugt.

Seit einiger Zeit zeigt sich die Berner Stadtregierung gegenüber Besetzern von Brachen sehr kulant: So akzeptiert sie die Besetzungen auf der Brache Warmbächliareal und dem Gaswerkareal, seit Anfang Februar auch jene auf dem Viererfeld.
Für viele ist das auch kein Problem: Schliesslich handelt es sich um jahrelang brachliegende Plätze, die niemand nutzt. Mitnichten, findet der Verein Quartieroase. Der Verein betreibt auf dem Vierer- und Mittelfeldareal saisonal einen roten Wagen in Freiwilligenarbeit für die Quartierbevölkerung. Hier können sich Bewohnerinnen und Bewohner zu einem Kaffee treffen und austauschen. Der Vorstand kritisiert die nachsichtige Haltung des Gemeinderats zur Besetzung auf dem Vierer- und Mittelfeld: «Wir sind nun seit eineinhalb Jahren vor Ort und haben immer sämtliche Auflagen eingehalten», schreibt der Verein in einer Mitteilung.
Nachteil für «legale Projekte»
Denn seit einiger Zeit plant der Verein einen Pavillon mit verschiedenen Zwischennutzungen auf dem Areal, eine von unterschiedlichen Nutzungen im Sinne der Quartierbevölkerung.
Auf dem Viererfeld soll ab 2023 ein neues Quartier für rund 3000 Personen entstehen. Vorgesehen ist auch ein Stadtpark. Die geplante Zwischennutzung könnte laut Myriam Neuhaus vom Quartieroase-Vorstand auf diesem Areal integriert werden. Nun könnten die Besetzer dem Projekt, in dem viel Freiwilligenarbeit steckt, einen Strich durch die Rechnung machen.
Der Verein fühlt sich gegenüber den «illegalen» Besetzern im Nachteil. «Wer einen Platz besetzt, wird toleriert – wer dagegen die Regeln einhält, dem werden Steine in den Weg gelegt.» Zudem wisse man jetzt nicht, was die Besetzung auf dem Viererfeld für die Quartieroase bedeute. «Seit langem verhandeln wir mit der Stadt über das Projekt», so Neuhaus. Die Bedingungen für die Zwischennutzung würden durch die Behörden laufend geändert und angepasst. «Nun kommen die Besetzer, nehmen den Platz in Beschlag und werden sofort geduldet.» Das stosse auf Unverständnis.
Für die Umsetzung rechnet der Verein mit Kosten von 500000 Franken. Obwohl sowohl Energie Wasser Bern, die Burgergemeinde Bern und der Kanton Bern Geld gesprochen oder finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt hätten, fehle diese Hilfe von der Stadt bisher, so der Verein.
«Stadt der Beteiligung» unter Druck
Der enttäuschte Quartierverein droht gar damit, seine Freiwilligenarbeit zu stoppen: Ohne ein klares Bekenntnis und ein finanzielles Engagement werde er sein «freiwilliges Engagement überdenken oder gar einstellen».
Für die Stadtregierung wiegen die Vorwürfe schwer: Schliesslich ist in den Legislaturzielen festgehalten, dass Bern eine «Stadt der Beteiligung» sei. Also dürfte es nicht in ihrem Sinn sein, wenn die Bevölkerung nicht mehr an der Gestaltung mitwirken will. Das Interesse der Stadt sei durchaus vorhanden, bestätigt Neuhaus. So waren bereits die Gemeinderäte Michael Aebersold (SP) und Franziska Teuscher (GB) bei verschiedenen Veranstaltungen der Quartieroase auf dem Viererfeld anwesend.
Stadt kommt entgegen
Die Direktion für Tiefbau, Verkehr und Stadtgrün von Ursula Wyss (SP) reagiert auf Anfrage überrascht auf die Vorwürfe. Unstimmigkeiten mit der finanziellen Unterstützung der Stadt «waren der Direktion bisher nicht bekannt», schreibt das TVS.
Die Mitteilung der Quartieroase scheint gewirkt zu haben: «Die Stadt sucht nun sofort mit dem Verein das Gespräch, um nach Lösungen zu suchen.» Die Direktion TVS weist jedoch den Vorwurf zurück, sie fördere den Versuch zu wenig. «Die Stadt unterstützt die Testnutzung auf dem Viererfeld, indem sie für die nötige Infrastruktur sorgt.» Offenbar kann der Verein zuversichtlich sein, dass er die geforderte finanzielle Unterstützung noch erhält. So spricht die Direktion davon, dass eine solche «angedacht» sei. Die Möglichkeiten dafür würden nun mit dem Verein Quartieroase «konkretisiert».
Derzeit ist zumindest das TVS überzeugt, dass für alle Interessen eine «zufriedenstellende Lösung für die Testnutzung gefunden werden kann». Der Verein fordert derweil Taten. «Warme Worte vom Gemeinderat reichen nicht», sagt Neuhaus.
Wenn diesen Frühling der rote Wagen der Quartieroase wieder aufgebaut wird, sieht es aus, als gehöre er zur Besetzung. Niemand merkt ihm an, dass er im Gegensatz zu den anderen Wagen im Vorfeld bewilligt wurde. Der Nachbarschaftsstreit auf dem Viererfeld beginnt also, bevor das erste Haus überhaupt gebaut ist.
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