Mubaraks katastrophales Erbe
Washington soll in erster Linie dazu beitragen, die bilateralen Beziehungen zu stärken. In seiner Heimat hat der alternde Präsident Ägyptens genug andere drängende Probleme – doch er zieht es vor, sie zu ignorieren.
Nach Jahren eher angespannter Beziehungen sollte Hosni Mubaraks Besuch in Washington eigentlich die triumphale Rückkehr zur traditionell engen strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Ägypten markieren. Doch der 81-jährige Präsident Ägyptens musste alles daran setzen, seine altersbedingte Schwäche und die politische Misere in seinem Heimatland zu vertuschen. Immerhin hat sein Regime seit dem Friedensschluss mit Israel vor dreissig Jahren aus Washington die stattliche Summe von 50 Milliarden Dollar erhalten. Damit baute die Supermacht das bevölkerungsreichste arabische Land zu seinem wichtigsten strategischen Partner im Mittleren Osten auf. Im Zuge der Demokratisierungskampagne von Obamas Vorgänger George W. Bush erlitt die Partnerschaft Rückschläge – Obama und Mubarak wollen die Differenzen beseitigen, um gemeinsam effizienter in der Region Politik zu betreiben. Es brodelt im InnernStabil ist die Partnerschaft dennoch nicht. Mubarak regiert Ägypten seit 28 Jahren – und ist heute passiver denn je. Die Politik stagniert, das Land hat regional und international an Einfluss verloren. Und im Innern, unter der Oberfläche, brodelt es so gewaltig, dass manche Ägypter das Regime Mubarak bereits am Rande des Zusammenbruchs sehen. Die Wirtschaft kämpft mit gravierenden strukturellen Problemen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Schätzungen bei mehr als 20 Prozent. Auf der Korruptionsliste von Transparency International steht Ägypten unter 180 Staaten auf dem 115. Platz. «Korruption», schreibt die Organisation, «hat alle Bereiche der Gesellschaft erreicht.» Das sehen nach einer neuen Befragung auch 75 Prozent der Ägypter so, und sie machen dafür vor allem Mubaraks Sohn Gamal verantwortlich: Er hat die Beziehungen zwischen dem Regime und der Geschäftswelt gestärkt. Auch andere Statistiken erschrecken: Das Bildungssystem ist ineffizient, fast ein Drittel der Bevölkerung sind Analphabeten. Die Kluft zwischen Arm und Reich weitet sich stetig: Weniger als 20 Prozent der Ägypter besitzen 80 Prozent des Reichtums, während 44 Prozent mit weniger als umgerechnet zwei Dollar pro Tag auskommen müssen. Die von Gamal Mubarak eingeleiteten Wirtschaftsreformen konnten die grossen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Wohnungsmangel und Lebensmittelkrise nicht einmal ansatzweise lösen.Riesiger RepressionsapparatDer sprichwörtliche Langmut der Ägypter hat nach Jahrzehnten der Hoffnungslosigkeit allmählich seine Grenzen erreicht. Im Vorjahr kam es zu blutigen Unruhen wegen erhöhter Brotpreise, und allein im Juli streikten 16 500 Arbeiter im ganzen Land in 35 verschiedenen Aktionen – eine völlig neue Entwicklung am Nil, wo die Zivilgesellschaft mit aller Kraft unterdrückt wird. Soziale Unruhen und politischen Dissens versucht das Regime seit Jahrzehnten durch den Einsatz der Sicherheitskräfte, die heute fast zwei Millionen Mitglieder umfassen, zu ersticken. Zu den Scharen von politischen Gefangenen zählen seit einigen Jahren auch Blogger, die es wagten, ihre Kritik über das Internet zu verbreiten. Ägypten unter Hosni Mubarak gleicht einem Polizeistaat vom Schlage Tunesiens oder Syriens. Die laizistische Opposition ist zerschlagen und bedeutungslos; der wachsenden Stärke der islamistischen Muslimbrüder aber kann die Repression nichts anhaben. Folgt Mubarak junior?Eines ist gewiss: Der gigantische Sicherheitsapparat kann die Stabilität des Regimes nicht mehr lange sichern. Was, wenn die Ära Mubarak zu Ende geht? In seiner steten Angst vor Rivalen hat der Staatschef nie Vizepräsidenten bestellt oder einen Nachfolger aufgebaut. Nun hofft er offensichtlich auf seinen Sohn Gamal, den er jetzt nach Washington mitgenommen hat – wohl um ihn dem höchsten Mann im Weissen Haus zu präsentieren. Doch gegen Gamal gibt es heftigen Widerstand. Noch hat Mubarak nicht klargestellt, ob er bei den Präsidentenwahlen 2011 wieder zu kandidieren gedenkt. Zum Ende dieser Amtszeit wäre er dann fast 90 Jahre alt. Die politische Lähmung würde die sozialen Spannungen enorm verschärfen, der Extremismus gewänne an Boden – und ein politisches Vakuum könnte allzu leicht radikale antiamerikanische und antiwestliche Kräfte an die Macht spülen und die gesamte geostrategische Politik der Amerikaner und des Westens in der Region untergraben.>
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