Was geht? Die Ausgehtipps der WocheMit Voodoo Jürgens durch die Wiener Spelunken
Das Leben ist kein Scherenschnitt: Und doch bietet die Kulturwoche Erhellendes im Dunkel der kurzen Tage.
Spelunkiger Wiener Soul: Voodoo Jürgens
Es rumpelt, es knarzt, die Leute saufen und tanzen und johlen und lieben sich, sie gewinnen, sie verlieren und sie bestellen noch eine Runde. Voodoo Jürgens alias David Öllerer porträtiert in seiner Musik, die irgendwo zwischen Austropop und bekneiptem Wiener Chanson liegt, klug und schön die Aussenseiter, die Gestrauchelten und die zwielichtigen Gestalten mit grossen Träumen. Seit dem ersten Album von 2016 besingt das «Wiener Original aus Tulln an der Donau», wie er auch schon genannt wurde, ein verwegenes, versoffenes 1970er-Jahre-Wien, das es so wahrscheinlich nie gegeben hat. Im ganzen Nuscheln verstehen übrigens selbst die Wiener kaum ein Wort, und trotzdem möchte man jeder Zeile ungefragt zustimmen. «Wie die Nocht noch jung wor» heisst nun das mittlerweile dritte Album des Liedermachers mit seiner Rumpelband Die Ansa Panier. Für einmal ist es etwas weniger Wiener Beisel, dafür etwas mehr autobiografische Innenschau. (mbu)
ISC, Bern, Mittwoch, 1. Februar, 20.30 Uhr
Das Leben als zerbrechliche Pflanze: Ukrainische Scherenschnitte

«Was die Bilder betrifft, so ist alles Fantasie – sie schiessen mir aus dem Kopf», sagt die ukrainische Künstlerin Daria Alyoshkina. Ihrer Kunst liegt eine Technik zugrunde, die schon Kinder kennen, bei Alyoshkina wird es zum beeindruckenden Kunsthandwerk. In ihrer Sprache heisst es Vytynanki: Scherenschnitt. Inspiriert von der Natur und der Musik, zwischen traditionellen Elementen und moderner Abstraktion, schafft sie teils raumhohe Papierkunstwerke, die bereits in Europa, im Nahen Osten oder in den USA präsentiert wurden. In Bern sind ihre Werke unter dem Titel «Das Leben ist eine zerbrechliche Pflanze» zu sehen. (xen)
Heiliggeistkirche, Bern, Dienstag, 31. Januar, 19 Uhr (Vernissage). Bis 2. März
Beethoven in besten Händen: Das Gürzenich-Orchester

In Köln gibts nicht nur den weltberühmten Karneval, sondern auch ein Stadtorchester mit Ausstrahlung: das Gürzenich-Orchester, das dieser Tage durch die Schweiz tourt. Unter der Leitung von Dirigent Nicholas Collon bringt es zwei Meisterwerke des klassisch-romantischen Repertoires mit: Ludwig van Beethovens 5. Klavierkonzert sowie die 2. Sinfonie von Johannes Brahms. Mit Letzterem verbindet das Gürzenich-Orchester eine längere Geschichte, seit es 1887 eines seiner Werke uraufgeführt hat, notabene mit dem Komponisten persönlich am Pult. Aber auch das 5. Klavierkonzert dürfte in Bern in besten Händen sein: in jenen des ausgewiesenen Beethoven-Spezialisten Rudolf Buchbinder am Flügel. (reg)
Casino Bern, Sonntag, 29. Januar, 17 Uhr
Aus dem Innern einer Seconda: Tagebücher von Lidija Burčak

Lange war es für Lidija Burčak unvorstellbar, einmal öffentlich aus den Tagebüchern ihrer Kindheit und ihrer Jugend vorzulesen. Doch die 1983 in Winterthur als Kind jugoslawischer Einwanderer geborene Autorin fasste sich vor einigen Jahren ein Herz. Sie begann, zuerst im Freundeskreis, später im grösseren Rahmen, aus ihren Tagebüchern vorzulesen. Im Rahmen der neuen Progr-Literaturreihe «Wortort» liest sie nun aus ihrem Buch «Nöd us Zucker», das Tagebuchauszüge versammelt, die sie im Alter von 15 bis 33 geschrieben hat. Lidija Burčak gelingt es so, authentisch und schonungslos die Coming-of-Age-Geschichte einer heranwachsenden Seconda mit all ihren Wünschen, Ängsten und Frustrationen zu erzählen. (lex)
Progr, Bern, Labor 262 (2. Stock), 28. Januar, 19.30 Uhr
Immer diese Blicke: Tanzstück «Perspectives»

Sich ausgestellt fühlen, gemustert werden, Fragen zur Herkunft oder zum Aussehen beantworten müssen: Für Menschen mit weisser Hautfarbe gehören solche Erlebnisse im Normalfall nicht zum Alltag. People of Color allerdings machen andere Erfahrungen. Gemeinsam mit ihrem Ensemble hat die Berner Choreografin Annakatharina Chiedza Spörri solche alltäglichen Mikroaggressionen zu einem Tanzstück verarbeitet: «Perspectives» mischt Hip-Hop-Kultur mit Spoken-Word-Poetry und Dialogszenen – und dreht die Positionen für einmal um: Weisse Zuschauerinnen und Zuschauer werden zu Beginn auf die Bühne geleitet und müssen sich Blicke und Kommentare gefallen lassen. (lri)
Schlachthaus-Theater, Bern, Freitag, 27. Januar, 20 Uhr. Bis 4.2.
Dem Kinderparadies entwachsen: Elektronik von Arthur Hnatek
Arthur Hnatek ist in einer Art Kinderparadies aufgewachsen. Die Eltern führten in Genf ein Musikgeschäft, Klein Arthur durfte alle Instrumente des Sortiments ausprobieren und befand im zarten Alter von acht Jahren, dass das Schlagzeug seinen weiteren Werdegang prägen soll. Heute gehört er nicht nur zu den bestvernetzten Taktgebern des Landes, er ist auch einer der fortschrittlichsten und grooveverliebtesten. Er pflegt ein sehr unkompliziertes Verhältnis zur elektronischen Musik, spielt Solokonzerte genauso gern, wie er sich in den Dienst von Musikerinnen und Musikern wie Sophie Hunger, Erik Truffaz oder Andrina Bollinger stellt. Es ist also nur folgerichtig, dass ihm der Konzertveranstalter Bee-Flat eine Carte blanche ausgehändigt hat. Sein erstes Konzert in diesem Reigen von vier Auftritten bestreitet er mit dem italienischen Produzenten und Pianisten Fabrizio Rat, der sein Instrument ganz gern vom Nimbus des Romantischen entpflichtet und mit maschinellen Beats konfrontiert. Da haben sich ja die zwei Richtigen getroffen. (ane)
Turnhalle im Progr, Bern. Mittwoch, 1. Februar, 20.30 Uhr
Da Cruz: Helle Lieder der Wut
Es sind Kampflieder, Protestsongs, Lieder der Wut, und doch tönen sie so gar nicht danach. Die Musik der Band Da Cruz um Sängerin Mariana Da Cruz und Produzent und Musikjournalist Ane Hebeisen ist hell, ja heiter, energetisch und verspielt. Mariana Da Cruz stammt aus der Provinz von São Paulo, wo sie in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Seit gut fünfzehn Jahren in Bern, setzt sie sich intensiv mit den Geschehnissen in ihrer einstigen Heimat auseinander und verwandelt sie in Musik. Auf dem nun bereits sechsten Album verquicken Da Cruz wunderbar brasilianischen Soul mit eklektischen Pop, Afro-Beat und Krautrock und, ja, Wut mit Leichtigkeit zu einer aufregenden Clubmusik mit einem Schuss Saudade. (mbu)
Turnhalle im Progr, Bern. Sonntag, 29. Januar, 20.30 Uhr
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