«Mich interessiert das nicht!»
Am Mittwoch präsentierte Konzert Theater Bern die nächste Spielzeit. Der neue Schauspielchef Cihan Inan über seinen Start und die Frage, was man von ihm erwarten kann.

Die Wand mit den ausgesparten Schaltern steht noch in der alten Kornhauspost. Bis vor kurzem wurden hier Tickets für Konzert Theater Bern verkauft, neu ist die Kasse ins Haus am Kornhausplatz gezügelt. Bis Ende Jahr soll im Raum an der Nägeligasse nun ein Theatercafé eröffnet werden, eine Mischung aus öffentlichem Café und Kantine für die Mitarbeitenden von Konzert Theater Bern.
Weil sich das Stadttheater-Gebäude in der letzten Sanierungsphase befindet, hat das Vierspartenhaus hierher zur Medienkonferenz eingeladen, um den Spielplan für die Saison 2017/18 vorzustellen. Ob Intendant Stephan Märki über die Saison 2018/19 hinaus verlängert oder nicht, blieb erwartungsgemäss offen. In Erfahrung zu bringen war einzig, dass der Entscheid «noch vor den Sommerferien» fallen soll, wie Märki sagte. Für den neuen Schauspielchef Cihan Inan ist es derweil die erste Spielzeit am Berner Stadttheater (siehe Rechts).
Herr Inan, die Zusammenarbeit zwischen Ihrer Vorgängerin Stephanie Gräve und Intendant Stephan Märki endete mit einem Eklat. Wie liefs bei Ihnen?
Es lief sehr gut. Ich wurde vom ganzen Haus stark unterstützt. Die intensive Zusammenarbeit mit Stephan Märki und der leitenden Schauspieldramaturgin Sophie-Thérèse Krempl war dabei ein wichtiger Faktor. Es bestand ein enger Austausch, der die Gestaltung des Spielplans, wie ich ihn mir vorstellte, schnell möglich machte.
Sie haben die kommende Saison mit einem 20-Prozent-Pensum vorbereitet, da Sie noch als Filmemacher tätig waren. Reichte das aus?
Das kann man nicht so berechnen, eine solche Arbeit verläuft intervallartig. Zur Planung der Spielzeit 2017/18 musste ich das Haus und den Betrieb zuerst kennen lernen, um Kriterien für kreative Entscheidungen aufstellen zu können: Was ist machbar? Welche Stücke, welche Regie? Wann kann der Wunschregisseur? Warum gerade dieser Regisseur für jenes Stück? Das ist uns gelungen.
Stephan Märki hat Sie im August als «ausgewiesenen Teamplayer» der Öffentlichkeit vorgestellt. Wo konkret haben Sie sich durchgesetzt bei der Spielzeitplanung?
Ich musste mich nicht «durchsetzen», das klingt nach Kampf. Den gab es nicht eine Sekunde. Ich höre zu, verstehe etwas – oder nicht –, und dann entscheide ich nach bestem Wissen und Gewissen. Diese Mentalität lässt das künstlerische Team zusammenwachsen. Daran glaube ich – und nicht an eine One-Man-Show. Ich gelte wohl deshalb als Teamplayer, weil ich mich selber nicht in den Vordergrund stellen muss, sondern immer wieder versuche, den Standpunkt des Gegenübers nachzuvollziehen.
Entscheiden müssen Sie dennoch.
Natürlich, ich stehe im Schauspiel in der Verantwortung. Meine Entscheidungen habe ich aber immer offen kommuniziert und mit Stephan Märki abgesprochen, der mir in vielen Überlegungen beistand mit seiner langjährigen Erfahrung. Die Stückwahl ist aus Ideen von mir und in Gesprächen mit der Chefdramaturgin und dem Intendanten entstanden. Die Regie wurde jeweils erst nach persönlichen Treffen von mir ausgewählt.
Letzte Saison zählte die Sparte Schauspiel gleich drei Einladungen an Festspiele, darunter das Berliner Theatertreffen. Sorgt das für einen gewissen Druck?
Überhaupt nicht. Warum auch? Eine der Einladungen betrifft ja meine Inszenierung des Stücks «Mondkreisläufer» von Jürg Halter. Das freut mich, doch mein Fokus war und ist immer die Arbeit selber. Solche Einladungen helfen einem Haus natürlich, Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus zu erlangen. Aber ich arbeite sicher nicht auf solche Ziele hin.
Über die Hälfte der anstehenden Premieren im Schauspiel sind Uraufführungen. Haben Sie eine Abneigung gegen die grossen Theaterklassiker?
Nein, gar nicht. Ich bringe zur Spielzeiteröffnung ja selber einen Klassiker auf die Bühne. Die aktuelle Gewichtung war kein Kalkül gegen oder für etwas, sondern entstand aus Entscheidungen für interessante Stücke und für Regieteams heraus, die dazu passen. Vielleicht wird die Spielzeit 2018/19 genau anders.
Ins Auge sticht die Produktion «Verdingbub»: Den bekannten Schweizer Film wird die Filmregisseurin Sabine Boss auf die Bühne bringen. War der Film nicht gut genug?
Es war nicht die Idee, den schon gelungenen Film besser auf die Bühne zu bringen. Das ist nicht der Anspruch, und Theater vermag auch nicht den Film dabei zu übertrumpfen, eine historisch korrekte Wiedergabe zu leisten. Ich habe mit Stephan Märki beschlossen, dass wir in der kommenden Spielzeit auf jeden Fall eine weitere Schauspielproduktion im Grossen Haus am Kornhausplatz anbieten, um das feste Publikum von dort stärker für die Stücke in den Vidmarhallen zu gewinnen. Und da hatte ich den Ansporn, etwas zu finden, das konkret nach Bern passt. Es wäre ein Leichtes gewesen, die «Dreigroschenoper» anzusetzen. Das wollte ich nicht.
Filmischen Stoff bietet auch die tragische Lebensgeschichte von Coco, der bekannten Transsexuellen aus Bern, die als Musical geplant ist. Wie stark drückte der Filmemacher, der Sie sind, bei der Zusammenstellung des Spielplans durch?
Als Regisseur interessieren mich die Geschichten, da sehe ich keinen Unterschied zwischen Theater oder Film. Allein die Mittel und Umsetzungsformen sind unterschiedlich und lassen verschiedene Möglichkeiten der Interpretation zu. In beiden Bereichen kann das zu hochinteressanten Resultaten führen.
Was kann denn das Theater, was das Kino nicht schafft?
Im Theater gibt es die Unmittelbarkeit, die gleichzeitig vergänglich ist. Das macht es einmalig. Durch den Live-Charakter ist es ausserdem fehlbar, was eine fast verschwörerische Verbindung zwischen Bühne und Zuschauerraum schafft.
Was darf man in Sachen Digitalisierung von Ihnen erwarten?
Geradeheraus gesagt: nichts! Mich interessiert das nicht! In vielen Theaterhäusern gibt es den Trend, damit zu arbeiten. Das finde ich gut. Aber ich habe in diesem Bereich bisher noch keinen nennenswerten Mehrwert im künstlerischen Sinne erkennen können, wenn es um Inszenierungen geht. Am Ende zählt immer nur die Geschichte. Solche Trends empfinde ich als Dekoration oder Augenwischerei. Was aber die Öffnung des Hauses, die Virtualisierung des Theatererlebens etwa durch Livestreaming betrifft, bin ich sehr neugierig und weiss, dass wir da Optimierungen anstreben.
Sie wurden für zwei Jahre gewählt. Was wollen Sie erreichen?
Ich bin kein programmatischer Mensch, sondern eher ein pragmatischer. Mich interessiert die Arbeit, die Interpretation, die Intensität der Schauspieler auf der Bühne, der Austausch mit dem Publikum. Ziele ergeben sich innerhalb jeder Produktion von selbst und hören bei der Premiere nicht auf.
An die Pressekonferenz sind Sie direkt von laufenden Dreharbeiten gereist. Für welchen Film?
Für den Film «Zone Rouge» nach meinem eigenen Drehbuch. Es ist ein Reunion-Movie: Nach über 25 Jahren treffen sich fünf ehemalige Maturanden wieder, und ein längst vergangener schrecklicher Vorfall von damals kocht wieder hoch. Eine Eskalation ist unvermeidbar.
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