Überraschung in GenfMaudet leidet, bricht aber nicht ein
Die Politsaga um den Genfer Regierungsrat Pierre Maudet geht weiter. In der Ersatzwahl für seinen Regierungssitz unterliegt er Fabienne Fischer (Grüne), bleibt aber im Rennen für seine Wiederwahl.

Das gab es in der Schweizer Politik noch nie: Ein Regierungsrat tritt wegen Querelen mit seinen Regierungskollegen zurück, kandidiert sogleich für seine Wiederwahl und wird zwei Wochen vor der Ersatzwahl wegen eines Korruptionsdelikts verurteilt.
In einem Satz ist das die verrückte Geschichte des Genfer Staatsrats Pierre Maudet vor diesem Wahlsonntag. Selbst erfahrene Politologen rätselten: Wie würde sich dies alles auf Maudets Wahlchancen auswirken, zumal er sich für den Verbleib in der Regierung gegen sieben Mitbewerber durchsetzen sollte?
Die Antwort ist seit Sonntag bekannt: Maudet stürzte nicht ab. Als Zweitplatzierter hinter der grünen, von der SP mitunterstützten Juristin Fabienne Fischer erreichte er ein respektables Resultat. Damit ist auch klar: Das Urteil gegen den 42-Jährigen wegen seiner geschenkten Luxusreise nach Abu Dhabi im Jahr 2016 scheint viele Genferinnen und Genfer nicht weiter beunruhigt oder von Maudet distanziert zu haben. Vielmehr bewirkte das Urteil offenbar einen Solidarisierungseffekt.
Mitten in der Covid-Krise eröffnete Maudet in verschiedenen Genfer Gemeinden Beratungsbüros, um den Leuten zuzuhören und ihnen weiterzuhelfen.
Zudem weiss Maudet aus vergangenen Wahlkämpfen, wie man die Bevölkerung mobilisiert. Mitten in der Covid-Krise eröffnete er in verschiedenen Genfer Gemeinden Beratungsbüros, um den Leuten zuzuhören und ihnen bei Problemen in Zusammenhang mit der Covid-Krise weiterzuhelfen. In seinem Wahlkampf vertraute er zudem auf sein altes Konzept aus Jugendjahren, das er einst «Politik des Tabubruchs» nannte. Maudet kritisierte wiederholt den Genfer Regierungsrat, dem er ja eigentlich angehört, aber auch die Kantonsverwaltung.
Die Grüne Fabienne Fischer ist auf gutem Weg, die Ersatzwahl im entscheidenden zweiten Wahlgang in drei Wochen zu gewinnen und die Mehrheitsverhältnisse in der Genfer Regierung zugunsten des rot-grünen Lagers zu kippen. Fischer zeigte sich mit ihrem Resultat zufrieden, aber betonte: «Eine Wahl ist nie gewonnen, bevor man die Ziellinie überquert.» Maudet wiederum sagte dem Lokalsender Léman Bleu, das Wahlergebnis überrasche ihn nicht, in den verbleibenden Tagen müsse er nun aber noch Vertrauen zurückgewinnen.
Debakel für die FDP
Mehrere Kandidaten haben bereits ihren Verzicht für den zweiten Wahlgang bekannt gegeben, darunter Cyril Aellen (FDP). Aellen sollte Maudets Regierungssitz für den Freisinn verteidigen, weil die FDP Maudet im Sommer 2020 aus der Partei geworfen hatte. Bereits vor dem ersten Wahlgang kündigte Aellen an, zum zweiten Wahlgang nicht mehr anzutreten, falls er im ersten Wahlgang nicht unter den beiden Erstplatzierten sei. Die Wähler setzten Aellen an die dritte Stelle. Aellen zog die Konsequenzen.
Für die Genfer FDP ist das Ergebnis des ersten Wahlgangs eine schallende Ohrfeige, die aber nicht ganz unerwartet kommt. Maudet war bis 2018 das unumstrittene Wunderkind der FDP, man könnte auch sagen, das personifizierte Parteiprogramm des Freisinns. Die Nachwuchsförderung wurde vernachlässigt. Maudets Rauswurf hinterliess nicht nur eine Lücke, sondern Maudet hat es offenbar auch geschafft, einen Teil der Parteibasis bei sich zu halten. FDP-Präsident Bertrand Reich sprach von «Enttäuschung» und «Versagen». Er sei «total fassungslos» angesichts von Maudets Resultat, da dieser die Justiz belogen und ein Steuerdelikt begangen habe und somit am Ursprung aller Probleme stehe, so Reich. Maudet habe sich zum Opfer gemacht, obwohl er Täter sei.
Vom Verhalten der Aellen-Wähler im zweiten Wahlgang hängt mitunter ab, ob Pierre Maudet am 28. März wiedergewählt wird. Der viertplatzierte Yves Nidegger (SVP) sprach im Fall Maudet bereits von einer «Auferstehung».
Wie Aellen würde sich auch Nidegger im zweiten Wahlgang zurückziehen, falls alle Kandidaten aus dem bürgerlichen Lager dasselbe tun. Der hinter Aellen und Nidegger fünftplatzierte Grünliberale Michel Matter liess offen, ob er dies tun wird. Wird Maudet im zweiten Wahlgang gewählt, prophezeite Mitte-Präsident Gerhard Pfister dem Genfer Freisinn auf Twitter eine wenig rosige Zukunft. «Dann macht die FDP Genf Suizid aus Angst vor dem Tod», so Pfister.
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