Der Poller auf AmeisenjagdMassenmord im Wohnzimmer
Kolumnistin Frau Feuz the Ripper plagt das schlechte Gewissen. Bleibt ihr für ihre Taten das ewige Feuer der Hölle erspart?

Frau Feuz: IN NOMINE PASTA ET FILET ET SPIRITUOSEN SANCTI, ALOAH.
Nachbar: (durchs Loch in der Küchendecke): Feuz, was ist denn bei dir unten los?!
FF: Ich bete.
NB: Aha. Und seit wann suchst ausgerechnet du himmlische Unterstützung?
FF: Seit ich auf die dunkle Seite der Macht gewechselt habe.
NB: ?
FF: Ach Nachbar. Ich bin doch grundsätzlich ein friedfertiger Mensch, der versucht, keinem was zu tun. Und nun bin ich zur Massenmörderin mutiert. Ich werde im ewigen Fegefeuer schmoren. Oder direkt in die Hölle hinabfahren, wo der ganze Tag Salsa läuft.
NB: Zum Henker, Feuz, was ist los?
FF: Eine sechsspurige Ameisenautobahn durch mein Wohnzimmer war los. Und die ist jetzt eben nicht mehr los.
NB: Du hattest Ameisen in der Wohnung?
FF: Ja. Hatte. Vergangenheit. Aus, Ende, Schluss. Die Antennen abgegeben, die sechs Stiefelchen unters Bett gestellt, den irdischen Thorax abgestreift, in Einerkolonne in die ewigen Jagdgründe marschiert. Wegen mir. Und nun plagt mich das schlechte Gewissen. Dabei hatte ich alles versucht, damit es nicht so weit kommen musste. An die Vernunft appelliert, Free Hugs angeboten, Jerusalema getanzt, Strassensperren errichtet, gefleht, geweint, gedroht, aber nichts half. Und jetzt sind sie nicht mehr.
NB: Wie bist du die Ameisen denn losgeworden?
FF: Vergiftet, die Leichen entsorgt und alle Spuren verwischt. Ich Monster. Die ewige Finsternis wird über mich kommen.
NB: Jetzt hör hier mal auf zu flennen, Feuz. Es gibt etwa 10 Billionen Ameisen, und so unschuldig, wie man denkt, sind die nicht. Es gibt Ameisenarten, die morden, rauben und beuten aus, einige halten sogar Sklaven und lassen die für sich schuften. Ich mein, wer macht so was?! Ausserdem tut die Königin den lieben langen Tag nichts anderes als Eier legen. Von Frühling bis Herbst 100 Stück am Tag – eine Million in der gesamten Saison. Wenn man das hochrechnet, dann sind das tami viele Viecher. Würde man alle Ameisen der Welt zusammen in eine Waagschale setzen, wären sie gleich schwer wie alle Menschen auf diesem Planeten. Das muss man sich mal vorstellen! Da fallen die 1,5 Gramm, die du abgemurkst hast, ja nun nicht wirklich ins Gewicht.
FF: So gesehen …
NB: Ja, so muss man das sehen. Ausserdem darf man zwischendurch durchaus auch mal Dinge tun, die man eigentlich aus moralischen, ethischen oder was weiss ich für Gründen nicht tut. Ameisen, welche die Wohnung im dritten Stock bevölkern, umbringen, beispielsweise.
FF: Roger Federer einen Langweiler finden?
NB: Unbedingt.
FF: Den gleichen BH eine Woche lang tragen?
NB: Klar doch.
FF: Beim «Eile mit Weile»-Spielen gegen ein Kind betrügen?
NB: Wenn das Kind nervt, ein Muss.
FF: Einem Maskenverweigerer, der im voll besetzten Eisenbahnwagen mit einem selbst geschriebenen Maskenunverträglichkeits-Attest herumwedelt, sagen, er sei ein asozialer Schafseckel?
NB: Sicher scho.
FF: Einer Verschwörungs-Theoretikerin erzählen, dass die eigene Mutter seit der Corona-Impfung von Haustür zu Haustür ziehe, um Microsoft-Produkte zu verkaufen?
NB: Chchch.
FF: Du-u, Nachbar?
NB: Ja was denn?
FF: Falls jetzt morgen 10 Billionen Ameisen zwecks Blutrache an meiner Haustür klingeln sollten, du hilfst mir, ja?!
Gisela Feuz ist freie Kulturjournalistin, die Ameisen waren Arbeiterinnen. Glaubs. Der Chef ist der Chef und kommt nicht aus der gleichen Kolonie wie Frau Feuz.
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