«Man denkt, die eigene Stadt habe spezielle Themen»
Die Bürgermeister von Berlin und Wien lassen sich vom Berner Stadtpräsidenten die Stadt zeigen. Beim Besuch interessieren sie sich vor allem für die Mitsprache der Bevölkerung bei der Politik.

Die drei Bürgermeister treten mit einer leichten Verspätung aus dem Erlacherhof. Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) und seine beiden Amtskollegen Michael Müller (SPD) aus Berlin und Michael Ludwig (SPÖ) aus Wien hatten drinnen viel zu besprechen. Von Graffenried hatte die beiden Bürgermeister zu einem Treffen eingeladen.
Über direkte Demokratie habe man gesprochen und das Haus der Religionen besucht, sagt von Graffenried vor den Medien. Doch nun soll der Politologe Claude Longchamp den Besuch durch die Altstadt führen. Longchamp beginnt, wo er steht, im Hof des Erlacherhofs – der war schon immer das politische Zentrum der Stadt – und führt die Gruppe zu Fuss über mehrere Stationen zum Bundesplatz. Dazwischen können sich die Journalisten kurz mit den Gästen aus Berlin und Wien unterhalten.
«Von Bern lerne ich, dass Partizipation Ruhe und einen langen Atem braucht.»
Partizipation für Berlin
Wovon sind beide in Bern beeindruckt? Was wollen sie lernen oder was kann Bern von ihnen lernen? Und scheint ihnen das kleine Bern nicht eher provinziell zu sein? «Es geht darum, miteinander zu lernen», sagt der Berliner Bürgermeister Michael Müller diplomatisch. «Man denkt, die eigene Stadt habe spezielle Themen.» Die Städte hätten jedoch ähnliche Probleme, die sie lösen müssten: das Klima, die Mobilität, der Wohnraum. Dabei sei es egal, ob die Stadt 200'000 Bürger und Bürgerinnen habe oder 2 Millionen, sagt er.
Allerdings sei klar, sagt er, dass eine Stadt wie Berlin mit vier Millionen Einwohnern und vier Universitäten im Gegensatz zu Bern um einiges vielfältiger sei. Das ist nett gesagt, aber im Klartext dürfte das heissen, dass Müller Bern schon nicht als die ganz grosse Nummer betrachtet.
Vor allem die Teilhabe der Stadtbevölkerung an den politischen Prozessen interessiert Müller. «Von Bern lerne ich, dass Partizipation Ruhe und einen langen Atem braucht», sagt er. Seit etwa zehn Jahren sei die Mitsprache der Bevölkerung auch in Berlin ein grosses Thema. Doch die Deutschen wollten alles oft sehr schnell verändern. In Bern hingegen könne ein Prozess auch mal 50 Jahre dauern. «Wir müssen Ruhe in unsere politischen Verfahren bringen», sagt Müller dazu. Ob Berlin aber so viel Gemächlichkeit wie die Schweiz erträgt, lässt er offen.
«Die Berner nutzen den Raum im historischen Ambiente rege.»
Belebte Strassen für Wien
Der Wiener Michael Ludwig will Bern keine Ratschläge erteilen, wie er sagt. Doch offenbar beeindruckt ihn die gut erhaltene historische Altstadt. Er sei das erste Mal hier, sagt er, und hört den Ausführungen Longchamps interessiert zu. Interviews gibt Ludwig nur zwischen zwei Stationen. Dabei fällt ihm die Lebendigkeit des Strassenbildes auf. «Die Berner nutzen den öffentlichen Raum im historischen Ambiente rege», sagt er.
Die Frage, wem der Raum gehört, beschäftigt den Wiener Landeshauptmann. Die soziale Durchmischung und das Leben auf der Strasse seien in seiner Stadt ein Thema. Wien habe viele kleine Wohnungen gehabt, die mit der Zeit zusammengebaut worden seien. «Dabei hat sich die Bevölkerung der Stadt halbiert», sagt er. Die Stadt bewilligte schliesslich den Ausbau von Dächern auch in den historischen Häusern der Gründerzeit. Das habe Wien neuen Wohnraum und neue Impulse gebracht. «Doch es gefällt nicht allen», sagt er.
Wie Bern kämpft Wien mit dem Verkehr. Die Stadt investierte daher viel in durchgehende Radwege. Diese würden zwar immer mehr genutzt, doch der Anteil der Rad fahrenden Bevölkerung bleibe stabil bei etwa sieben Prozent, sagt Ludwig.
Eine grosse Veränderung habe hingegen die Subventionierung des öffentlichen Verkehrs gebracht. Seit sieben Jahren können Wiener und Wienerinnen für 365 Euro im Jahr, also einem Euro pro Tag, das gesamte Netz der sogenannten Kernzone nutzen. «Das brachte viele Autofahrer zum Umsteigen.»
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