Macron springt Merkel bei
Der französische Präsident hat der deutschen Kanzlerin Unterstützung dabei zugesagt, gegen die illegale Weiterreise von Flüchtlingen nach Deutschland vorzugehen.

Als Emmanuel Macron vor einem Jahr französischer Präsident wurde, war ihm bewusst, dass er für seine Pläne zur «Neugründung» der EU auf Angela Merkels Unterstützung angewiesen sein würde. Heute ist es plötzlich die deutsche Kanzlerin, die seine Hilfe braucht. Merkels bayerische Schwesterpartei CSU droht der CDU-Chefin offen mit Rebellion, falls sie in der Asylpolitik nicht zu mehr Härte und nationaler Abschottung bereit ist. Als sich Merkel und Macron am Dienstag auf Schloss Meseberg trafen, um die gemeinsamen Pläne zur Reform der EU vorzustellen, nutzten die beiden die Gelegenheit, CSU-Chef Horst Seehofer mit einem Aufruf zu europäisch konzertiertem Vorgehen entgegenzutreten.
Macron versprach Merkel Hilfe beim Vorhaben, die illegale Binnenmigration nach Deutschland zu verringern. Er werde die Kanzlerin nach Kräften dabei unterstützen, mit EU-Ländern an den Aussengrenzen bi- oder multilaterale Abkommen auszuhandeln. Ziel sei, dass bereits anderswo in der EU registrierte Flüchtlinge «so schnell wie möglich» in das Land zurückgeschickt werden könnten, in dem sie erstmals erfasst worden seien. Dies gelte natürlich auch für Migranten, die Frankreich unerlaubt in Richtung Deutschland verlassen hätten.
Die beiden vereinbarten darüber hinaus, in der EU weitreichende Reformen der Asylpolitik voranzutreiben: Die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten in Afrika soll verstärkt werden, um zu vermeiden, dass Menschen nach Europa aufbrechen, die keine Chance auf Asyl haben. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll auf 10 000 Mann aufgestockt und in eine richtige Grenzpolizei für den Schutz der EU-Aussengrenzen umgewandelt werden. Mittelfristig strebe man auch gemeinsame Asylstandards und -behörden an, um Verantwortung und Solidarität fairer zu verteilen.
In der gemeinsamen «Meseberger Erklärung» steht, dass es heute in der Asylpolitik wichtiger denn je sei, europäische Lösungen zu verfolgen. «Einseitige Massnahmen werden Europa spalten, seine Bevölkerungen entzweien und das Schengen-System gefährden.» Eine eindeutigere Zurückweisung der Alleingangspläne von Seehofers CSU konnte sich Merkel von Macron nicht erhoffen.
Vier Reformvorhaben
Migration war freilich nur eines von vier drängenden europäischen Reformvorhaben, derer sich Merkel und Macron annahmen. Neun Monate hatte der Franzose nach seiner visionären Rede an der Sorbonne auf eine Antwort der Deutschen warten müssen.
Als sie endlich kam, war man in Paris erst mal niedergeschlagen. Macron liess sich in Meseberg zwar nichts anmerken, doch aus seiner Sicht sind die gemeinsamen Reformvorschläge enttäuschend zaghaft ausgefallen. Daran sind nicht nur die unterschiedlichen Temperamente schuld, sondern auch eine nahezu gegensätzliche Herangehensweise: Im Unterschied zu Macron, der die grosse Geste pflegt, beharrt die Kanzlerin darauf, nur Dinge vorzuschlagen, für die sie in der EU eine Mehrheit zu finden glaubt – und nicht zuletzt auch in ihrer eigenen Partei.
Euro: Merkel und Macron wollen zwei neue europäische Geldtöpfe einrichten, um die Währungsunion besser auf künftige Krisen vorzubereiten. Beim einen handelt es sich um einen zusätzlichen Investitionshaushalt für die Mitglieder der Eurozone; Merkel erwartet einen Umfang im «unteren zweistelligen Milliardenbereich». Er soll helfen, das wirtschaftliche Gefälle in Europa zu verringern und wirtschaftliche Schocks abzufedern. Macron hatte dafür ursprünglich ein Budget von mehreren Hundert Milliarden Euro vorgeschlagen. Zum anderen soll der Euro-Rettungsschirm ESM zu einer Art europäischem Währungsfonds (EWF) ausgebaut werden. Der EWF soll in Not geratenen EU-Mitgliedern mit lang- und kurzfristigen Krediten beistehen können, allerdings stets gegen Auflagen. Auf Drängen Merkels soll der EWF zunächst nicht im EU-Recht, sondern zwischenstaatlich eingerichtet werden. Wie heute beim ESM würde also der Bundestag sein Mitspracherecht bewahren.
Die Verhandlungen zwischen Paris und Berlin waren so schwierig, weil sich die Erwartungen an die EU stark unterscheiden: Während Frankreich «Schutz und Solidarität» in den Vordergrund stellt, geht es Deutschland vor allem um «Selbstverantwortung und Kontrolle». Konzepte, die auch nur entfernt so aussehen, wie wenn Deutschland für die Ausgaben und Schulden ärmerer EU-Staaten im Süden oder Osten aufkommen müsste, sind in Berlin politisch tabu. Merkel ist mit diesem Vorbehalt nicht allein, sondern weiss alle nordischen und baltischen Länder unter Führung der Niederlande sowie Österreich hinter sich.
Verteidigung, Aussenpolitik: Merkel und Macron wollen die europäische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und in der Aussenpolitik deutlich stärken. Merkel unterstützt dafür Macrons Idee einer europäischen Interventionsarmee, die fähig wäre, schnell auf eine Krise in der Nachbarschaft zu reagieren. Der Franzose nimmt dafür den Vorschlag der Deutschen auf, nicht ständige Sitze für Europäer im UNO-Sicherheitsrat mittelfristig koordiniert als «EU-Sitze» zu nutzen.
Forschung: Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam und auf europäischer Ebene deutlich mehr in Wissenschaft, Innovation und künstliche Intelligenz investieren. Dies sei nötig, wolle Europa in der digitalen Revolution gegenüber den USA und China nicht hoffnungslos in Rückstand geraten.
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