
Google und Facebook produzieren aus unseren im Internet hinterlassenen Daten verkaufbare Informationen. Ein ähnliches Geschäftsmodell visiert nun auch die Pharmaindustrie an. Sie will aus unseren Krankheiten und den dazugehörigen Arztbefunden und Dokumenten einen Mehrwert generieren, den es bislang über den individuellen Nutzen hinaus nicht gab: Persönliche Daten in riesigen Mengen bringen, wenn sie gut strukturiert und analysiert sind, neue Therapien hervor.
Dabei tauchen zwei grosse Fragen auf: Wer schöpft den Profit daraus ab? Und müssen die Individuen fürchten, dass ihre Krankheitsgeschichten entlarvt und damit nicht nur ihre Persönlichkeitsrechte verletzt werden, sondern sie eventuell auch mit höheren Kosten für Lebensversicherungen oder Ähnlichem rechnen müssen ?
Die Ökonomin Mariana Mazzucato fordert in ihrem Buch «Wie kommt der Wert in die Welt? Von Schöpfern und Abschöpfern», dass Daten nicht um des Profits, sondern des Gemeinwohls willen genutzt werden sollen. Der Verdienst dürfe nicht den Konzernen zugeschlagen werden. Das gilt für Google wie für die Pharmaindustrie. Für Letztere heisst es: Nutzt sie die Daten der Masse, dann müssen auch die Medikamentenpreise sinken, so Mazzucato.
Bevor nicht klar ist, dass die Medikamente billiger werden, müssen wir über die Frage des Datenschutzes gar nicht erst diskutieren.
Auch wenn die Pharmaforschung dank der Daten neue Medikamente entwickeln will, ihr Zweck also durchaus sinnvoll ist: Ziel des neuen Datenkapitalismus von Google, Novartis oder Roche ist es letztlich, aus Sphären, die vorher ausserhalb der Reichweite der Vermarktung lagen, Geld zu machen. Seien es meine Spuren bei der Internetnutzung oder eben mein Patientinnendossier.
Will die Pharmaindustrie an die Massendaten, müssen also die Medikamente günstiger werden. Und zwar so günstig, dass sie für alle erschwinglich sind. Bevor dies nicht klar ist, müssen wir über die zweite grosse Frage – jene des Datenschutzes – gar nicht erst diskutieren.
Im Moment ist es jedoch so, dass die Pharmakonzerne den Zugang zu Patientendaten gerade dazu nutzen wollen, um ihre hohen Preise zu rechtfertigen. Nicht nur die Wirksamkeit einer Therapie soll so belegt und die Krankenkassen entsprechend zur Kasse gebeten werden. Die Daten sollen auch zeigen, wie viel Spital- oder IV-Kosten eine hochwirksame Therapie der Gesellschaft auf der anderen Seite einspart. Mariana Mazzucato meint dazu bloss: Wollten wir dieses Prinzip ernst nehmen, müssten alltägliche Therapien oder Impfstoffe ein Vermögen kosten.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Kommentar zur Pharmaindustrie – Daten gibts nur gegen billigere Medikamente
Das Ziel des neuen Datenkapitalismus von Roche und Novartis sind nicht neue Therapien, sondern wie bei Google: Profit. Dafür aber geben wir unsere Krankheitsgeschichte nicht her.