Konflikt um UkraineLukaschenko wendet sich von der Ukraine ab und zündelt
Weissrussland hat lange seinen südlichen Nachbarn unterstützt, doch das ist jetzt anders. Kiew ist beunruhigt.

Die Warnungen Richtung Osten sind kaum noch zählbar, diesmal aber hat Washington nicht Moskau gemeint. Es ist Minsk. Das US-Aussenministerium drohte am Dienstag mit einer «entschiedenen Antwort», sollte Weissrussland seinem Verbündeten Russland dabei helfen, in die Ukraine einzumarschieren.
Jahrelang hatte dessen Machthaber Alexander Lukaschenko die Nerven im Kreml strapaziert, weil er Russland sogar deutlicher kritisierte als die USA, weil er das gute, freundschaftliche Verhältnis zum Nachbarn Ukraine betonte, die Krim-Annexion nicht anerkannte, weil er sich als Vermittler anbot im Minsker Friedensprozess.
Die ukrainische Führung wusste: Sie kann einigermassen auf Lukaschenko zählen, da dieser selber um die Souveränität seines Landes kämpfte, fürchtete, Russland könnte auch Weissrussland an sich reissen.
Weissrussland folgt Russland
Doch seit der offensichtlich manipulierten Präsidentenwahl vor anderthalb Jahren hat sich die Lage radikal verändert. Weissrussland ist nun noch abhängiger von seinem Bruderstaat Russland, es hat inzwischen die Krim-Annexion anerkannt, während viele weissrussische Regimekritiker in die Ukraine geflüchtet sind und sich dort ein neues Leben aufbauen.
Kiew und der Westen sind nun besorgt, dass sich im Norden, von Weissrussland her, eine weitere Bedrohung aufbauen könnte, im schlimmsten Fall sogar eine eigene Front. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Wo die Ukraine russische Angriffe befürchten muss».)
«Weissrussland macht jetzt vollständig mit bei der russischen Eskalationskampagne gegen die Ukraine», heisst es in einer Analyse des Atlantic Council. Russland sei gerade dabei, seinen «militärischen Fussabdruck in Weissrussland zu vergrössern», da Moskau angekündigt habe, zwölf Kampfjets, zwei Einheiten des Luftabwehrsystems S-400 sowie ein weiteres Abwehrsystem nach Weissrussland zu bringen. Auch bei Cyberangriffen sei das Land «Putins kleiner Helfer», schreibt der Atlantic Council.
Beunruhigend für die Ukraine ist Lukaschenkos scharfer Tonfall, der sich dem Putins angeglichen hat.
Hintergrund ist, dass Lukaschenko und Kremlchef Wladimir Putin im Dezember ein gemeinsames russisch-weissrussisches Militärmanöver vereinbart haben, das vom 10. bis zum 20. Februar stattfinden soll. Sein Name: «Sojusnaja Reschimostj», etwa: «Verbündete Entschlossenheit». Das allein dürfte in der ukrainischen Führung noch keine Ängste auslösen, denn Militärübungen diverser Art gibt es in der Region schon länger. Es ist eher Lukaschenkos scharfer Tonfall, der sich dem Putins angeglichen hat.
«Es schmerzt uns, zu sehen, was in der Ukraine geschieht», sagte der Minsker Machthaber, «ihre politische Führung, die von aussen kontrolliert wird, verhält sich manchmal unvorhersehbar und irrational. Deshalb müssen wir bereit sein für diese Unberechenbarkeit und, Gott behüte, militärische Aktionen.» (Lesen zum Thema die Reportage «Eiskalt ist die Angst».)
Russland hat die Krim annektiert, unterstützt seit Jahren die Separatisten in der Ostukraine, hat mehr als 100’000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen – und Lukaschenko befürchtet einen Angriff der Ukraine. Nach seinen Worten: der fremdgesteuerten Ukraine.
Selenski gibt sich gelassen
Weissrussland zählt also anders: 23’000 Soldaten in westlicher und südlicher Nachbarschaft plus 10’000 Nato-Soldaten und 300 Panzer bedeuten demnach, dass «unser Land auf diese Herausforderungen antworten muss», wie der weissrussische Generalstabchef Viktor Gulewitsch der Staatsagentur Belta sagte.
Ein Bericht der Lukaschenko-treuen Propagandazeitung «Weissrussland heute» vergleicht die Ukraine mit einem gescheiterten Staat in Afrika, in dem «Marionetten» an der Macht seien. Auch der Name des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko fiel dabei.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski gibt sich öffentlich recht gelassen. Er geht offenbar nicht davon aus, dass Weissrussland mit seinem südlichen Nachbarn völlig bricht, zumal Stromlieferungen beide Länder aneinanderbindet. Spekulationen, Russland könnte Atomwaffen in Weissrussland stationieren, hält Selenski für unwahrscheinlich. Mit solchen Dingen spiele man nicht, und falls doch, wisse er dann wenigstens, wo sich ein Teil des russischen Atomarsenals befinde.
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