Liebesdrama mit vielen Verlierern
Seine heimliche Beziehung im Haus wurde Intendant Stephan Märki zum Verhängnis. Mit einem Kodex will der Stiftungsrat künftig Interessenskonflikte vermeiden.
Am Schluss wurde der Kloss in seinem Hals zu gross, Stephan Märki konnte seine Rede zu seinem sofortigen Rücktritt nicht mehr selber vorlesen. Nadine Borter, erst seit sechs Tagen im Amt als Stiftungsratspräsidentin, musste Märkis Statement gestern vor den Medien im Hotel Schweizerhof vorlesen – kurz darauf verschwand Märki aus dem Raum, Fragen will er ab sofort nicht mehr beantworten, weil er jetzt eine «Privatperson» sei.
Der Intendant von Konzert Theater Bern (KTB) legte gestern offen, was in theaternahen Kreisen schon seit Monaten diskutiert wird: Er führt eine Beziehung mit Sophie-Thérèse Krempl, der Leiterin Kommunikation bei KTB und früheren Chefdramaturgin am Haus. Diese Liaison hat deshalb eine grosse Tragweite, weil sie einen Einfluss auf den Abgang von Schauspielchef Cihan Inan hatte. Dieser hatte Märkis langjährige Mitarbeiterin Krempl als Grund für seinen Rücktritt genannt. Er hatte die Versetzung Krempls gefordert, Märki und der Stiftungsrat wollten dieser Forderung nicht nachkommen.
Warum ist diese Beziehung für den Stiftungsrat erst jetzt ein Problem? Das Gremium habe erst am Dienstag davon erfahren, sagte Stiftungsrat Marcel Brülhart. An diesem Tag wurde Märki laut Stiftungsratspräsidentin Nadine Borter zu einer Sitzung aufgeboten. Thema war unter anderem der Abgang des Marketingleiters. Dem Vernehmen nach soll Märki in letzter Zeit aber auch verschiedene Managementaufgaben zu wenig vorangetrieben haben. Bei diesem Treffen wurden er und Krempl auch mit dem Gerücht konfrontiert, dass sie ein Paar seien. Was sie nun bestätigten.
Berufliches und Privates getrennt
Wäre der Konflikt zwischen Märki und Inan anders ausgegangen, hätte der Stiftungsrat von der Liebesbeziehung gewusst? «Wenn wir das gewusst hätten, wäre die Ausgangslage eine andere gewesen», erklärte Stiftungsrat Marcel Brülhart gestern. Mehr wollte er dazu nicht sagen.
Von der Beziehung, die nun zum Eklat geführt hat, berichteten die Berner Medien schon vor Wochen. Liest der Stiftungsrat keine Zeitung? Warum war er nicht im Bild? «Wir haben Märki mehrmals gefragt», sagte Brülhart gestern. Mehr wollte er auch auf Nachfrage nicht sagen, ausser: Es treffe ihn persönlich, da er ein enges Verhältnis zu Märki gepflegt habe. Auch das Wort «Transparenz» fiel in diesem Zusammenhang. Dies lässt den Eindruck entstehen, Märki habe dem Stiftungsrat trotz dessen Nachfragen nicht die Wahrheit gesagt. Und das habe zum nun offenkundigen Vertrauensverlust geführt.
Man habe nach dem Eingeständnis des Intendanten nächtelang diskutiert und sei zum Schluss gekommen, dass der Rücktritt des Intendanten richtig sei, sagte Borter gestern. Märki betonte an der Pressekonferenz, dass er «Berufliches und Privates» stets voneinander getrennt habe. Krempl war ihm von seiner letzten Wirkungsstätte Weimar nach Bern gefolgt, in der Spielzeit 2016/17 wurde sie leitende Dramaturgin. Nach kurzer Zusammenarbeit mit Inan übernahm sie die neue Stelle der Kommunikationsleiterin. Sie verlässt nun zeitgleich mit Märki das Haus.
Ob der Stiftungsrat nicht mehr hätte tun können, um rechtzeitig informiert zu sein, bleibt offen. Auch ob er nicht doch schon früher mehr wusste. Jedenfalls will nun auch er Lehren aus den Vorfällen ziehen. Der Stiftungsrat will nun einen Verhaltenskodex für die KTB-Mitarbeiter erarbeiten. Eine heimliche Beziehung auf Führungsebene soll künftig nicht mehr geduldet werden. Hier dürfe es keine Vermischung von Privatem und Beruflichem geben, sagte Borter.
Nachfolge mit Hochdruck gesucht
Märki verabschiedete sich gestern winkend von den Medien; er tritt sofort zurück, bezieht sein Salär aber bis Ende April des nächsten Jahres. Er wird aber noch wie geplant die Regie der «Tristan und Isolde»-Inszenierung übernehmen. Interimistisch wird das Haus vom kaufmännischen Direktor, Anton Stocker, geführt.
Wegen Märkis abrupten Abgangs intensiviert der Stiftungsrat die Suche nach einem Intendanten. Eigentlich war vorgesehen, dass er bis 2021 bliebt. Bis Ende Monat werde eine Findungskommission zusammengestellt. Die neue Führung solle das Programm für die Saison 2020/21 ausarbeiten. Jenes für die kommende Saison steht bereits. Laut Brülhart haben sich bereits mehrere Interessenten für die Intendanz gemeldet, nachdem die Vertragsverlängerung Märkis um nur zwei Jahre im Sommer 2017 bekannt gegeben worden war. «Vielleicht kann jemand auch schon früher anfangen, das Berner Stadttheater ist ein interessantes Haus.»
Finanziell und künstlerisch gilt die Ära Märki als erfolgreiche Zeit. Auch die Zuschauerzahlen entwickelten sich erfreulich. Stephan Märki übernahm das Amt vor sieben Jahren als Intendant nach der Zusammenlegung von Stadttheater und Symphonieorchester und führte als einziger in der Schweiz ein Vierspartenhaus.
In «Brezel-Affäre» verwickelt
Die Umstände von Märkis Abgang sind wie ein Déjà-vu. Schon in Weimar, wo er zuvor gearbeitet hatte, war er bei seinem Abgang wegen einer amourösen Beziehung in die Schlagzeilen geraten. Im Jahr 2010 soll der Zuschlag für die Bewirtung des Deutschen Nationaltheaters Weimar an eine Betreiberin gegangen sein, die damals Märkis Lebensgefährtin war. Medien in Thüringen kreierten den Begriff «Brezel-Affäre», weil es um den Verkauf von Brezeln und Getränken im Foyer des Theaters ging.
Ende 2012 hatte das Landgericht Mühlhausen die Anklage der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen: Selbst wenn die Vorwürfe stimmten, würde nach Gesetzeslage keine Straftat vorliegen. Die Geschichte war in Bern bekannt. Aus dem Umfeld des Stiftungsrats heisst es heute, man habe Märki versprechen lassen, dass sich etwas Ähnliches in Bern nicht wiederholen werde.
Lesen Sie hier die Analyse von «Bund»-Redaktor Daniel Di Falco: Das Problem war bekannt
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