Leitartikel: Neue Ära für den Finanzplatz
Der gestrige Freitag, der 13., wird zum Schicksalstag für das Bankgeheimnis. Unter grossem Druck der EU und der USA hat der Bundesrat beschlossen, einen Trumpf aus der Hand zu geben. Der jahrzehntealte, wichtige Pfeiler des Schweizer Finanzplatzes ist innert kürzester Zeit gefallen.
Die Schweiz leistet künftig nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe. Wenn ein Ausländer ein Konto von 5 Millionen Franken auf einer Schweizer Bank anzugeben «vergisst», erhalten ausländische Behörden neu ebenfalls Zugang zu den Bankdaten, so wie dies heute beim Fälschen eines Steuerbelegs der Fall ist. Diese Unterscheidung war der Kern des Bankgeheimnisses. Immerhin werden die Schleusen nicht total geöffnet, denn im OECD-Standard, den der Bundesrat übernimmt, sind Sicherungen eingebaut. Die Schweiz gewährt nur Amtshilfe, wenn ausländische Steuerbehörden konkrete Indizien haben, jemand verheimliche ein Bankkonto in der Schweiz. Dabei muss die Behörde den Namen der Person und deren Bankverbindung nennen; sonst läuft nichts. Das Ausland kann also nicht wahllos Schweizer Banken nach Steuerhinterziehern abklopfen. Für Steuerpflichtige in der Schweiz bleibt das Bankgeheimnis unangetastet.
Dem Bundesrat blieb praktisch nur noch dieser Ausweg, nachdem er in den vergangenen Wochen immer stärker in die Defensive geraten war. Mit dem Befreiungsschlag dürfte die Schweiz dem Bannstrahl der schwarzen Liste entgehen. Die von den G20-Ländern angedrohte Anprangerung würde der Schweizer Reputation massiv schaden und Ländern wie Deutschland und USA einen konkreten Hebel für Sanktionen gegen heimische Firmen liefern.
Die Schweiz muss jetzt versuchen, für das geopferte Bankgeheimnis ein paar Gegenleistungen herauszuholen. Der EU und den USA gilt es klarzumachen, dass der automatische Informationsaustausch nicht infrage kommt. Dieser würde Schweizer Banken verpflichten, ohne konkreten Verdacht pauschal Kundendaten ins Ausland zu liefern. Der Bankkunde würde gläsern. Weitere mögliche Forderungen sind grosszügige Übergangslösungen für bisherige Steuerhinterzieher und besseren Zugang für Schweizer Banken zu den Heimmärkten anderer Länder. Keinen direkten Einfluss hat der Entscheid des Bundesrats auf die schwelende UBS-Steueraffäre in den USA. Aber er ist eine vielversprechende Investition in eine politische Lösung des Problems.
Der Verzicht auf den totalen Kundenschutz hat seinen Preis. Die Schweiz verliert einen lukrativen Wettbewerbsvorteil. Der Wegfall von Kundengeldern drückt Löhne und Gewinne um schätzungsweise einige Milliarden Franken. Weil mit Österreich, Luxemburg, Liechtenstein, Singapur und Hongkong harte Konkurrenten der Schweiz die gleichen Abstriche beim Bankgeheimnis machen, fallen immerhin diese Länder als attraktive Alternativen für Gelder aus der Schweiz weg. Dies mindert den Verlust für die Banken.
Der hiesige Finanzplatz muss jetzt noch stärker auf andere Qualitäten setzen, um seine führende Stellung zu behaupten. Dazu gehören Angebote aus einer Hand, internationale Vernetzung, gut ausgebildetes Personal und hohe Reputation.
Trotzdem wird ein Teil der Kundenvermögen in europäische (Kanalinseln) oder amerikanische Steuerparadiese (US-Bundesstaat Delaware) abwandern. Dort lassen sich auch kriminelle Gelder parkieren, die in der Schweiz schon längst nicht mehr geschützt waren. Das zeigt, dass es im Ringen um das Bankgeheimnis weniger um Moral als um den Kampf um Steuergelder geht. Immerhin ist die Schweiz jetzt den Ärger und die Vorwürfe los, die das Bankgeheimnis verursacht hat.
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