
Neulich stolperte Grädel nicht zufällig über einen Buchtitel: «Langeweile – auf der Suche nach einem unzeitgemässen Gefühl.» Urplötzlich packte Grädel diese Sorge, ausgelöst durch eine banale Äusserung von «Air France»-Strafraum-Kampfflieger-Jet Guillaume Hoarau. Das Kopfballungeheuer sagte zwar nicht, ihm sei langweilig, er sagte aber, Teamkollegen hätten gesagt, er sei langsam langweilig. Das ist natürlich nicht das Gleiche. Also, er, Hoarau, habe sich dann bemüssigt gefühlt, an dieser Einschätzung etwas zu ändern, also habe er seine Haare blondiert. Anhänger würden sagen, veryoungboyst, gelblich eingefärbt, aber so weit wollte der Rockstar nicht gehen. Ja, für einen Kollegen von Grädel ist Hoarau «der Rockstar», und ja, so falsch ist dieser Übernahme nicht. Der Franzose läuft manchmal in einem Spiel so viel wie ein Rockstar, der noch ein wenig Fussball spielt.
Anfangs dachte Grädel, wunderbar, lange Weile im peter-bichselschen Sinne, «längi Zyt» haben, die Sehnsucht spüren, Meister zu werden. Grossartig und passend zu Bern: in der Langsamkeit diesen Triumph wahrnehmen, geniessen. Ungestreckter Berner Haschisch. Grädel selbst würde sich ja als Meister der Langeweile bezeichnen: im Bett liegen bleiben, bis ein Impuls kommt, der Impuls, immer noch ein wenig länger im Bett zu bleiben, aber plötzlich, irgendwann geschieht dann das Unfassbare, ein Impuls – nicht vom Kopf oder vom Willen gesteuert – lässt Grädel aufstehen, ohne Zutun, ohne Anstrengung, und plötzlich steht Grädel auf dem Parkett, steht barfuss auf seinen Beinen und weiss nicht wie ihm geschieht. Ein Wunder.
So etwas passiert jemandem, der warten kann. Aber eben, man muss sie ertragen, diese Langeweile, und irgendwo hat Grädel gelesen – war es in diesem Buch? –, dass «Aktivität Langeweile nicht an sich verhindert», und . . .: Langeweile könne auch dazu führen, dass man das Gefühl für den Sinn der eigenen Tätigkeit verliere. Obacht. Grädel hofft nun, dass aus der langen Weile noch viele kreative Impulse kommen, oder aber die Young Boys noch ein oder zwei Spiele vermasseln, um die Langeweile zu vertreiben. Wie auch immer, Grädel ist überrascht, spürt gar fast ein wenig Ärger, dass er sich als Kolumnenschreiber mit einem solchen Thema befassen muss: lange Weile haben, um das Meistergefühl maximal wahrzunehmen. Also ehrlich, so etwas hätte sich Grädel nicht einmal in der grössten aller Langeweilen ausgemalt.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Langeweile
Fussballgott Grädel über die lange Weile bis zum Meistertitel.