Lachen mit den Laoten
Wer der Hektik Südostasiens entfliehen will, ist in Laos goldrichtig. Die Freundlichkeit der Bevölkerung, abenteuerliche Ausflüge in die unberührte Natur und der Besuch bei einer abgeschiedenen Dorfgemeinschaft machen eine Reise durch den Norden von Laos zum unvergesslichen Erlebnis.
Laos ist anders als die übrigen Länder Indochinas. Nirgendwo sonst ist das Reiseleben so stressfrei und unkompliziert wie hier, und kein anderes Volk lacht so oft und so herzhaft wie das laotische. Nicht von ungefähr lautet einer der Punkte in der Must-Do-Liste des Reiseführers: «Lache allen Leuten zu, welchen du begegnest.»
Ein Beispiel für laotische Leichtigkeit: In einem Sammeltaxi rülpst ein Kleinkind und schaut danach etwas verwirrt aus der Wäsche. Diese Situation, die in Europa zu einem leicht peinlich berührten Austausch von Blicken führen würde, reicht aus, um das gesamte Taxi in einem minutenlangen Lachanfall zu vereinen.
Wildfremde Menschen, vom adrett gekleideten Jüngling bis zur zahnlosen Greisin, freuen sich gemeinsam über die Komik des Moments. Und auch wenn man von den Witzen, die danach erzählt werden, kein Wort versteht, so ist das Lachen ansteckend.
Geografisch beginnt die Reise in Vientiane, der wohl ruhigsten Hauptstadt der Welt. Nur wenig abseits des Zentrums beginnt bereits das Dorfleben. Die Strassen verwandeln sich in Schotterpisten und werden von Hühnern und streunenden Hunden mit verfilztem Fell belebt.
Natürlich gibt es in Vientiane einige Sehenswürdigkeiten – beispielsweise die laotische Version des Arc de Triomphe –, doch um so richtig in Laos anzukommen, setzt man sich zuerst am besten in ein Café am Mekong und schlürft die Milch aus einer frischen Kokosnuss.
Danach schwingt man sich auf ein Velo und staunt über die Ruhe im Strassenverkehr. Auf Hupen oder nervöses Drängeln wartet man vergebens. Stattdessen grüsst der Polizist an der Kreuzung mit breitem Grinsen: «Sabaidee!»
Etwas westlich von Vientiane liegt einer der insgesamt 20 Nationalparks von Laos, der Phu-Khao-Khuay-Nationalpark. Er ist vor allem wegen der Herde wilder Elefanten bekannt, die hier lebt. Mit etwas Glück bekommt man sie zu Gesicht. Dazu ist eine Übernachtung auf dem Elefantenturm nötig, der vor einigen Jahren bei einem Salzleckstein errichtet wurde.
Den Ort benutzen die Dickhäuter nach dem Eindunkeln häufig als Mineralquelle. Zusammen mit zwei Guides wandert man vom Dorf Ban Na aus zum gut zehn Meter hohen Turm und wartet auf die Dämmerung. Der Turm bietet nicht nur eine perfekte Aussicht, sondern auch Schutz vor den Elefanten. Vor drei Jahren wurde ein unachtsamer Dorfbewohner zu Tode getrampelt.
Zuerst ist es ein kaum hörbares Knacken aus dem Bambuswald. «Elephants coming», flüstert einer der Guides. Dann mischen sich andere Geräusche dazu, ein Grunzen wie von einem Schwein, ein Brüllen wie von einem Löwen und ein Quietschen wie von einem Affen.
Gebannt blicken die Besucher in die Nacht. Langsam nähert sich die Geräuschkulisse. Dann plötzlich streckt der Erste seinen Rüssel aus dem dichten Buschwerk. Die Bambusbäume krachen und brechen wie Zündhölzer. Im fahlen Mondlicht bewegt sich der Schatten des Kolosses genau auf den Salzstein zu. Gemächlich und träge erscheint dann die gesamte Herde.
Die Elefanten scharen sich um den Stein und lecken gierig von den Mineralien. Einzelne drängeln um den besten Platz. Sie werden von den Leadern sofort und lautstark zurechtgewiesen, damit auch das Jungtier seine Portion erhält.
Nach einer Nacht auf dem Holzboden des Turmes geht es am nächsten Tag zurück nach Vientiane. Von hier aus führt die Hauptverkehrsachse, die Strasse Nummer 13, in Richtung Norden.
Erster Zwischenstopp ist Vang Vieng. Im einst beschaulichen Städtchen am Fluss Nam Song erwartet die Besucher eine völlig andere Welt. Vang Vieng ist ganz in den Händen der spasshungrigen internationalen Backpacker-Gemeinde. Auf den Bildschirmen in den Restaurants flimmern amerikanische Fernsehserien, und auf der Insel im Fluss reiht sich eine Bar an die andere. Nachts zeichnet Neonlicht grelle Formen in die Dunkelheit.
Die grösste Attraktion des Ortes ist das «Tuben». Dabei lässt man sich, in einem luftgefüllten Lastwagenschlauch liegend, den Nam Song hinuntertreiben.
Entlang des Flusses gibt es Bars mit lauter Musik, Wasserrutschbahnen, Sprungbrettern und Swing-Seilen, mit welchen man von Plattformen aus wie Tarzan an der Liane über das Wasser fliegen und akrobatische Sprünge vollführen kann. Vang Vieng ist ein Tollhaus für erwachsene Kinder.
Dies alles kann nicht über die wunderbare Landschaft hinwegtäuschen, in die Vang Vieng gebettet ist. In der hügeligen Karst- und Kalksteingegend warten unzählige Höhlen darauf, entdeckt zu werden. Dabei ist eine Taschenlampe unentbehrlich. Denn anders als viele europäische Höhlen sind die laotischen meist schlecht erschlossen, und man kann auf eigene Faust abenteuerliche Erkundungstouren unternehmen.
Abkühlung in einmaliger Ambiance versprechen die türkisfarbenen Lagunen der wasserreichen Region. Noch mehr von der Landschaft sieht man auf der Weiterreise nach Norden. Über einige Pässe und vorbei an bizarr geformten Berggipfeln geht es zurück an den Mekong nach Luang Prabang, dem kulturellen Zentrum des Landes.
Das herausgeputzte Luang Prabang mit seinen schmucken Häusern aus der Kolonialzeit hat den Charme einer französischen Kleinstadt. Es gibt sogar Boule-Bahnen und Weinbars mit französischen Tropfen.
Am beeindruckendsten sind aber die Dutzende von Tempeln, die über das ganze Stadtgebiet verstreut sind, einer prunkvoller als der andere. Golden verzierte Dächer, Buddha-Statuen in allen Grössen, Mosaike aus glitzernden Glasstücken und verschnörkelte Malereien gibt es zu bestaunen.
Wem dies nicht genügt, der besucht das Museum im ehemaligen Königspalast. Viele Zimmer wurden in ihrem Originalzustand belassen, was einen lebendigen Blick in die Vergangenheit ermöglicht.
Ein Sawngthaew, ein Pick-up mit zwei Bänken auf der Ladefläche für die Passagiere, bringt die Reisenden weiter in das bergige Hinterland. Ziel ist Muang Ngoi Neua, ein kleines Dorf am Fluss Nam Ou. Es ist nur mit einer abenteuerlichen Bootsfahrt flussaufwärts zu erreichen, die über einige Stromschnellen und bedrohlich nahe entlang kantiger Felsen im Wasser führt. Zum Glück sind die Bootsführer Meister ihres Fachs. Elektrizität gibt es in Muang Ngoi Neua nur zwischen 18 und 22 Uhr.
Doch es geht noch abgelegener. Von Muang Ngoi Neua aus gelangt man an Orte, die kaum je von Westlern besucht werden. So zum Beispiel das etwa sieben Marschstunden entfernte 200-Seelen-Nest Ban Xang. Laut dem Guide, einem ehemaligen Englischlehrer, liegt der letzte Besuch fast ein Jahr zurück.
Beim Eintreffen der Falang (vom englischen «Foreigner» abgeleiteter Ausdruck für «Fremde») sind die Kinder des Dorfes gerade mit einer lebendigen Maus beschäftigt. An ihrem Schwanz haben sie eine Schnur befestigt, an welcher sie abwechslungsweise zupfen, wenn sich die Maus aus dem Staub machen will.
Doch das Spiel ist vergessen, sobald die Kinder die fremden Gesichter entdecken. Staunend scharen sie sich um die Besucher, immer einen Abstand wahrend. Machen die Falang ein Schrittchen auf die Kinder zu, weichen diese zwei zurück. Die Jüngeren verstecken sich hinter ihren Geschwistern und kichern verschmitzt. Andere klammern sich an die Beine der Dorfälteren, die die Szene genauso gespannt verfolgen. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis sich die Kinder getrauen, den mitgebrachten bunten Plastikwürfel zu berühren.
Dann bittet der Dorfchef in sein Haus. Mit übel riechendem, selbstgebranntem Whisky in schmutzigen Bechern wird auf ewige Freundschaft angestossen. Der Guide fungiert als Dolmetscher.
Mit der zweiten Flasche geht es auf eine Wiese neben dem Dorf, auf welcher zwei uralte Bäume stehen. Mit immer schwerer werdender Zunge fragt er beständig, ob es den Besuchern auch wirklich gefalle. Dies scheint ihm sehr wichtig zu sein. Nach dem Glauben der Dorfbewohner leben in den gespaltenen Stämmen der Bäume die Geister der Verstorbenen.
Die ganze Zeit begleiten die Kinder den Tross. Langsam weicht ihre Scheu der Neugier, und es entwickeln sich kleine Spiele mit Händeschütteln, aufgeregten «Sabaidee»-Schreien und – wie könnte es anders sein – herzhaftem Lachen.
Derweil wird im Dorf ein Huhn geschlachtet und in einer dickflüssigen Suppe zubereitet. Alles wird verwendet, auch das Blut. Das Mahl ist für die Gäste bestimmt, die in Ban Xang eine unvergessliche Nacht verbringen werden.
Unterwegs Christian Brönnimann, regelmässiger «Bund»-Mitarbeiter, ist mehrere Monate mit dem Rucksack in Asien unterwegs. In loser Folge berichtet er aus einigen der besuchten Regionen. Am 1. Dezember 2008 erschien ein Beitrag aus China, am 5. Januar 2009 einer aus Vietnam und am 9. Februar einer aus Kambodscha. Die vorliegende Reportage über Laos ist die letzte in der Reihe.
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