Ansichten eines Kindermädchens
Ein neuer Dokumentarfilm erzählt das Leben der unbekannten Strassenfotografin Vivian Maier, von der vor einigen Jahren über 100'000 Bilder aufgetaucht sind.
Vivian Maier konnte – oder wollte – es sich nicht leisten, ihre Filme entwickeln zu lassen. Die Nanny mit österreichischem Vater und französischer Mutter wuchs in Frankreich auf und zog Anfang der 1950er-Jahre nach New York. Sie arbeitete 40 Jahre als Kindermädchen und fotografierte ihre Umgebung mit einer Rolleiflex. Immer mehr Kisten mit nicht entwickelten Filmen stapelten sich in ihrem Besitz. Darin versteckte sich – nach Meinung vieler Experten – eines der bemerkenswertesten fotografischen Werke des 20. Jahrhunderts.
Kurz vor Maiers Tod kam ein Teil ihrer Besitztümer bei einer Zwangsversteigerung unter den Hammer, und der damals 26-jährige John Maloof, Makler und Hobbyhistoriker, kaufte eine Schachtel mit 30'000 Negativen. Als er des Schatzes gewahr wurde, der da in seine Hände gefallen war, konnte er insgesamt 100'000 Bilder auftreiben. Auf deren Urheberin stiess er zu spät, nämlich über die Todesanzeige in einer Chicagoer Zeitung.
Eine verschlossene Person
Maloof liess in der Folge die Bilder entwickeln und stellte sie in New York und Chicago aus, Maiers Hauptschauplätzen. Ausserdem schrieb er das Buch «Vivian Maier – Street Photographer», das im Herbst 2011 erschien. Ein Dokumentarfilm über Maier und das Auftauchen ihrer Bilder ist momentan in Produktion, ein erster Trailer kam vor wenigen Tagen heraus. Darin macht sich Maloof auf die Suche nach Maier, von der es ausser ihren Selbstporträts keine Bilder gibt. Im Gespräch mit ehemaligen Bekannten und Familien, bei denen sie als Nanny arbeitete, versucht er der Person Vivian Maier näherzukommen.
«Wir hatten keine Ahnung, dass sie fotografierte», sagt etwa ein altes Paar. «Sie war keine offene Person, sie war eher verschlossen», sagte eine Freundin. Die Fotografien waren ihr Geheimnis, das sie offenbar sorgfältig hütete. «Ich bin eine Art Spionin», war alles, was sie einem Arbeitgeber über ihre Leidenschaft sagte. Nach Maloofs Entdeckung erntet ihre Arbeit den Ruhm, den sie in ihrem Leben nie hatte – nie haben wollte? Ein Spion sollte ja sich nicht entdecken lassen. Doch immerhin kann man heute über ihre Bilder die Welt durch ihre Augen sehen.
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