Frisch und ich
Roger Schawinski ist Max-Frisch-Fan. Er hat alles gelesen – und ist nach dem Tod des Autors gar in dessen Wohnung gezogen.
Bei Roger Schawinski denkt man nicht als erstes an Literatur. Aber der Medienpionier ist ein ganz grosser Fan von Max Frisch: «Seit fast 60 Jahren.» Alles habe er gelesen, erst als junger Mensch und dann noch mal, als er dem grossen Schriftsteller näher kam: In dessen letzter Lebensphase wohnte Schawinski direkt unter ihm, in der Zürcher Stadelhofer-Passage.
Davon erzählte der Interview-Profi bei einer Veranstaltung, die einem Band mit Interviews gewidmet war, die Max Frisch im Lauf seines Lebens gegeben hat («Wie sie mir auf den Leib rücken!», Suhrkamp). Thomas Strässle, Germanist und Präsident der Frisch-Gesellschaft, hat sie gesammelt und kommentiert und stellte sie am Dienstag im Zürcher Literaturhaus vor.
Schawinski sass als Interview-Spezialist auf dem Podium und überraschte das Publikum dann mit persönlichen Erinnerungen an den verehrten Autor. Bei aller Verehrung: Die erste Begegnung war eine Enttäuschung. Schawinski, damals junger Chefredaktor der Migros-Boulevardzeitung «Die Tat», traf sich 1978 zum Mittagessen mit Frisch. Es war der Tag nach dem berühmten Fernsehgespräch Frischs mit Bundesrat Kurt Furgler. Frisch sei noch sehr aufgewühlt gewesen und habe nur über die Sendung geredet. Es sei, so Schawinski, letztlich nur um die Frage gegangen: «Wie war ich?» Für seinen Gesprächspartner habe Frisch sich nicht interessiert. «Neugierig war er nicht.»
Viele Jahre später zog Schawinski in die Stadelhofer-Passage, ein Stockwerk unter Frisch, und las dessen Werke noch einmal, immer mit dem ehrfurchtsvollen Bewusstsein der nahen Nachbarschaft. Dem Autor selbst sei ihm immer mal wieder begegnet, am Fahrstuhl oder in der Garage, wo Frisch seinen Jaguar stehen hatte, ohne dass sich eine nähere Bekanntschaft ergab. 1990, bei der Fussball-Weltmeisterschaft, habe er Frisch angeboten, ein Spiel zusammen am Fernsehen zu schauen, erhielt aber eine höfliche Absage.
Weil ihm seine Wohnung zu klein war, suchte Schawinski bei der Hausverwaltung nach einer grösseren nach, bekam aber die Auskunft: Es sei gerade keine frei. Drei Monate später starb Frisch. Schawinski erzählte, wie er erschrak – er habe doch etwa mit seinem Vorstoss da nicht etwas beschleunigt? Wie auch immer: Frischs Wohnung war nun frei, und Schawinski zog dort ein. «Die Wohnung war vollkommen leergeräumt. Nur in einer Ecke standen ein paar Papyrus-Pflanzen. Das war sozusagen mein Erbe. Ich habe sie gegossen, aber sie haben nicht lange überlebt.»
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