Kühe in Bewegung
Rund die Hälfte der Milchkühe in der Schweiz ist im Stall angebunden. Im neuen Vorzeigeprojekt des Inforama in Zollikofen bewegen sie sich frei.

Die meisten Tiere fressen, einige liegen, und wenige sind unterwegs vom Liege- zum Fressplatz. Angebunden ist im neuen Stall des Inforama Rütti in Zollikofen keine Kuh mehr: Ein Laufstall hat den bisherigen Anbindestall abgelöst. Bei der gestrigen Einweihung priesen die Verantwortlichen den Neubau als Leuchtturm- und Vorzeigeprojekt.
In den vergangenen dreissig Jahren haben immer mehr Bauernbetriebe auf Laufställe umgestellt, inzwischen können sich die Hälfte der Milchkühe in der Schweiz im Stall frei bewegen. Dies wird mit Direktzahlungen belohnt: Wer Beiträge für eine besonders tierfreundliche Stallhaltung bekommen will, darf die Tiere nicht fixieren.
Die Kühe im Inforama Rütti haben keine Hörner. Das entspricht dem üblichen Bild in Laufställen, und dieses sorgt immer wieder für Kritik. Hornlos nehmen die Kühe weniger Platz in Anspruch. Würden sie Hörner tragen, müsste man ihnen mehr Fläche einräumen, damit sie besser ausweichen könnten und sich nicht gegenseitig verletzten. Das würde Mehrkosten beim Stallbau verursachen. Dass die Kühe im Inforama hornlos sind, hat allerdings noch einen weiteren Grund: Der Stall dient der Ausbildung und soll die Verletzungsgefahr beim noch ungeübten Umgang mit Tieren reduzieren.
Dazwischen der Mistroboter
Die gut 50 Milchkühe im Stall scheinen die Ruhe selbst zu sein. Als Laie kann man nirgendwo ein Gerangel ausmachen. Gegen Laufställe wird manchmal eingewendet, sie seien für schwächere Tiere aufgrund von Rangkämpfen ein Stressfaktor. In Zollikofen kennen die Kühe die neue Situation bereits seit längerer Zeit. Bevor sie im Dezember eingezogen sind, waren sie während der Bauphase provisorisch in einem Laufstall untergebracht. Zur Gelassenheit im Stall trägt laut den Verantwortlichen die Tatsache bei, dass der Betrieb keine Tiere von aussen zukauft und die Herdenordnung dadurch stabil ist.
Zwischen den Kühen hindurch fährt ein Gerät, das einem grossen Roboter-Staubsauger ähnelt. Es ist ein Mistroboter, der die Ausscheidungen der Kühe aufsaugt und den Boden mit Wasser abwäscht. Das soll ein Problem entschärfen, das bei Laufställen auftaucht: Die mit Ausscheidungen verdreckten Laufflächen verursachen unerwünschte Ammoniak-Emissionen.
Einsatz für den Anbindestall
Die Diskussion um Vor- und Nachteile von Anbinde- und Laufställen wird teils heftig geführt und hat den Weg ins Bundesparlament gefunden. Dort wehrte sich Erich von Siebenthal (SVP) gegen die zunehmende Praxis des Bundes und der Kantone, bei der Investitionshilfe Zuschläge für Laufställe zu gewähren. «Beide Systeme haben ihre Berechtigung. Bauern sollen sich nicht aufgrund der finanziellen Unterstützung für eines entscheiden, sondern frei nach der Strategie des Betriebs», sagt der bernische Nationalrat. Das Parlament gab ihm recht. Bei den Investitionshilfen werden Anbindeställe nun nicht mehr benachteiligt. Auch in den Richtlinien von Bio Suisse sind sie erlaubt, wenn sich die Tiere regelmässig im Freien bewegen können.
Für Anbindeställe ist schweizweit eine Interessensgemeinschaft (IG) aktiv. Der Vorstand habe gefordert, dass im Inforama Rütti auch ein Anbindestall realisiert werde, sagt Konrad Klötzli, Präsident der IG Anbindestall. «Wir sind überzeugt, dass sich Ausbildung und Forschung mit beiden Systemen auseinandersetzen müssen», hält der Landwirt aus Achseten im Berner Oberland fest. Denn Anbindeställe seien nach wie vor sehr aktuell, vor allem im Berggebiet und bei Familienbetrieben. Während gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft Laufställe für die Tiere besser sind als Anbindesysteme, sagt Klötzli: «Punkto Tierwohl ist der moderne Anbindestall dem Laufstall ebenbürtig.» Wichtig seien eine weiche Strohmatratze sowie viel Weide und Auslauf im Winter. Vom Tierschutz scharf kritisiert wird allerdings der elektrische Kuhtrainer in Anbindeställen. Dieser Bügel im Nackenbereich gibt Stromstösse ab, damit die Kuh beim Ausscheiden von ihrem Platz zurücktritt und so Harn und Kot kanalisiert werden können. In neuen Ställen sind Kuhtrainer verboten, was Klötzli bedauert, denn es gebe keine gleichwertige Alternative. «Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass der Kuhtrainer in neuen Ställen wieder eingeführt werden darf.»
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