«Kochen ist eine Leidenschaft»
Der in Genf wirkende französische Spitzenkoch Dominique Gauthier verrät, wo er das Gemüse herhat, wie er es danach behandelt, was er selber gerne isst – und dass er in der Restaurantküche manchmal «motivierend» laut wird.
«Bund»:Herr Gauthier, warum sind Sie Koch geworden?
Dominique Gauthier:Wegen eines glücklichen Zufalls. Als Zwölfjähriger half ich meinem Onkel an einem Wochenende bei seinem Traiteurservice aus, um etwas Taschengeld zu verdienen. Einmal, zweimal, und dann konnte ich nicht mehr aufhören, weil es mich gepackt hatte. Mit 14 fing ich dann eine Kochlehre im Hôtel de France an.
Und dann durften Sie zunächst bloss Gemüse rüsten und haben sich gelangweilt?
Nein, nein! Sicher, in dem Alter war ich ungeduldig und wollte an die Töpfe, aber das geht natürlich nicht. Bevor die Produkte verarbeitet werden, muss man sie sehr gut kennen. Wer Koch werden will, braucht viel Geduld.
Stimmt es, dass die Hierarchie in einer Küche absolut strikt ist?
Oh ja, das ist wie bei der Armee! Anders geht es nicht, sonst bringen wir nicht tagtäglich die gleiche Qualität auf den Teller, und das wäre dem Gast gegenüber nicht fair.
Sie haben sicher den Trickfilm «Ratatouille» gesehen...
...ja, ein schöner Film, der das Leben in einer Grossküche sehr real abbildet.
Der Küchenchef schreit die ganze Zeit herum!
(lacht): Stimmt, der ist wirklich nicht nett. Aber es kommt auch bei einem netten Chef vor, dass er in der Küche laut wird.
Sie auch?
Sicher, manchmal schon – nicht in böser Absicht, sondern um das Personal zu motivieren. Auch für einen freundlichen Chef gilt: Wenn's brennt, muss er die Maschine anwerfen.
Sie kochen seit bald 30 Jahren. Kann Sie überhaupt noch ein Gericht überraschen?
Und wie. Ich reise gerne, vor allem in Asien und in Thailand, wo ich stets Neues entdecke.
Was essen Sie selbst am liebsten?
Ein Thai-Curry ist unser Familien-Lieblingsgericht. Das essen wir häufig an Sonntagen zusammen mit den Kindern.
Wer kocht dann?
Das Thai-Curry koche ich, aber meine Frau kocht auch gerne und gut.
Es muss schrecklich stressig sein, für einen Spitzenkoch am Herd zu stehen.
Da täuschen sich die Leute. Ich esse gerne so wie alle anderen auch. Wenn die Gastgeber das kochen, was sie sonst gerne kochen, dann kommt es gut. Nur wenn jemand meint, er müsse mich beeindrucken, läuft der Abend schief. Es ist doch überall so: Man muss sich selber treu bleiben.
Wie bringen Sie das zum Ausdruck?
In meiner Art zu Kochen spiegelt sich sehr stark meine Kindheit. Ich bin auf dem Land aufgewachsen: Wir sammelten Pilze und Schnecken, mein Vater ging auf die Jagd, und das Gemüse stammte aus dem eigenen Garten. Dazu kommen all die Erfahrungen, die ich in den zehn Jahren Arbeit mit verschiedenen grossen Küchenchefs gesammelt habe. Diese Mischung ergibt das Neue, Persönliche.
Das sieht man dann auch im Teller?
Ja, das sieht man und das schmeckt man. Ich mag es, wenn das Produkt präzis erkennbar bleibt, konzentriere gerne den Eigengeschmack und die Farbe, dekoriere zurückhaltend. Ich mag klare Linien, die einem erstklassigen Produkt die Hauptrolle überlassen.
Mit der Qualität des Produkts steht und fällt also alles?
Ja, zuerst kommt das Produkt, dann die Technik. Darum habe ich beispielsweise einen eigenen Gemüsebauern, der für mich anbaut, was ich möchte. Bei Pierre Rossaud gehe ich jeden Morgen auf dem Arbeitsweg von Vigy (F) nach Genf vorbei und lese das Gemüse für den Tag aus.
Ihre Leistung im «Chat Botté» ist vom Gastroführer Gault Millau mit 18 Punkten und dem Titel «Koch des Jahres» ausgezeichnet worden. Wie haben Sie reagiert?
So ein Titel freut riesig und stresst gleichzeitig. Warum ausgerechnet ich? Ich mach ja bloss meine Arbeit! Am Anfang hatte ich Angst, dass neue Gäste kommen und sagen, na ja, das ist doch nichts Besonderes. Dann habe ich mich beruhigt und einfach weitergemacht wie zuvor.
Rennen Ihnen die Gäste seither die Türe ein?
Der Titel hat uns sicher Gäste gebracht. Zumindest ist unsere Kundschaft konstant geblieben, während einige meiner Berufskollegen die Folgen der weltweiten Finanzkrise spüren. Wir haben treue Gäste, hauptsächlich Genfer, die unsere Arbeit seit Jahren verfolgen und die uns nun spontan gratulieren. Das macht mich zwar immer etwas verlegen, aber natürlich bin ich auch stolz.
Würden Sie den Jungen von heute noch zur Kochlehre raten?
Nur, wenn sie dafür wirklich alles geben wollen. Denn die Arbeitszeiten in meinem Beruf sind sehr elastisch und wenig familienverträglich, das muss man in Kauf nehmen. Am Vorabend dieses Gesprächs bin ich erst um zwei ins Bett gekommen, um Viertel vor sieben stand ich wieder auf. Kochen ist mehr als Arbeit, Kochen ist eine Leidenschaft. Das Schöne daran: Man fängt ganz unten an und kann es mit viel Einsatz und Geduld zum grossen Chef bringen.
Das passt schlecht zu unserer Fastfood-Gesellschaft.
Fastfood hat es immer schon gegeben, das soll man nicht überbewerten. Meine Kinder gehen ebenfalls manchmal zu McDonald's. Mich haben sie auch schon mitgeschleppt.
Tatsächlich?
Ja, aber ich hatte nachher ein komisches Gefühl im Magen, so, als hätte ich viel gegessen und sei trotzdem leer.
Was raten Sie jemandem, der wenig Zeit hat zum Kochen?
Einen Teller Teigwaren zubereiten und ein wenig Butter oder Olivenöl dazu: Das geht schnell und ist gesünder und nahrhafter als ein Hamburger.
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