Kiffer-Studie als Chance für Uni Bern
Der Nationalrat ebnet den Weg für die Cannabis-Studie der Universität Bern. Selbst Skeptiker blicken nun mit Interesse den Resultaten entgegen – und appelieren präventiv an die Forscher.

Was, wenn Cannabis legal wäre und man es wie Aspirin in der Apotheke kaufen könnte? Diese Frage soll eine Studie der Uni Bern beantworten. Sie sieht vor, in einem Pilotversuch an ausgewählte Leute in Apotheken Cannabis zu Genusszwecken anzubieten. Im letzten November hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Studie noch blockiert, da dafür die Rechtsgrundlage fehlte.
Am Mittwoch stimmte der Nationalrat aber Vorstössen zu, welche die Erweiterung des Betäubungsmittelgesetzes um einen Experimentierartikel verlangten. Dies ermöglicht Studien wie diejenige der Uni Bern. Im Juni hatte die grosse Kammer – anders als der Ständerat – eine identische Motion noch abgelehnt. Jetzt folgt er dem Bundesrat, der bereits im Juli eine entsprechende Gesetzesänderung angestossen hatte. Die Vernehmlassung dauert bis 25. Oktober.
«Dass der Nationalrat jetzt auch dahintersteht, freut uns», sagt Studienleiter Sven Trelle. Der Experimentierartikel mache nicht nur seine Untersuchung an der Uni Bern möglich, sondern auch viele weitere interessante Forschungsansätze. «Hoffentlich gibt es viele andere, die Ideen haben, um offene Fragen sinnvoll beantworten zu können.» Loslegen darf aber noch niemand. «Konkret können wir noch nichts machen», sagt Trelle. Bis man die genauen Bedingungen des Gesetzes kenne, könne man nicht weiterarbeiten. Trelle erwartet, dass das neue Gesetz nicht vor 2020 in Kraft tritt.
Kritik an «Verharmlosung»
Die Freude über den nationalrätlichen Entscheid wird nicht von allen geteilt. Die Versuche seien gesundheitsschädigend und kosteten den Steuerzahler Millionen, sagt ewa die bernische SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler, die dem Dachverband Drogenabstinenz Schweiz vorsteht. Zudem sei Cannabis bereits zur Genüge erforscht und die Studie daher unnötig. «Die Verharmlosung von Cannabis verhindert eine wirksame Prävention», sagt Geissbühler. Da die Studie jedoch nur einige Jahre dauere, werde man gegen die Gesetzesänderung wohl nicht das Referendum ergreifen.
«In der Drogenpolitik geht es nicht nur um Repression», sagt Studienleiter Trelle. Der Bezug von sauberem Cannabis in Apotheken sei nur eine Form der Risikominimierung. «Diese wollen wir evaluieren.»
Franziska Teuscher (SP), Sozialdirektorin der Stadt Bern, hatte den ursprünglichen Entscheid des BAG scharf kritisiert. Sie begrüsst das Votum des Nationalrats. Angesichts der trotz Verbot grossen Zahl von regelmässigen Cannabiskonsumenten in der Schweiz sei die Prohibition der Droge gescheitert. «Ich verstehe also nicht, weshalb man nicht untersuchen soll, wie man den Gesundheitsschutz mit einer kontrollierten Cannabisabgabe verbessern könnte.» Die Uni Bern könne sich zudem auf diesem Gebiet als innovative Forschungsinstitution profilieren.
Doch nicht nur Befürworter einer liberalen Genussmittelpolitik sehen in der Studie Potenzial. «Dass 15-Jährige kiffen, ist ein schwerwiegendes Problem», sagt Ruedi Löffel, EVP-Grossrat und Leiter der Suchtpräventionsstelle des Blauen Kreuzes Bern. «Trotzdem ist heute mit dem Verbot nicht alles optimal.» Er könne mit der Studie leben und sehe Chancen darin. Es sei aber entscheidend, dass klare Zielsetzungen und messbare Kriterien festgelegt würden. «Es gibt zu viele Wischiwaschi-Berichte, die nur eine politische Position bestätigen.» Löffel hat aber «hohes Vertrauen», dass die Forscher ihre Arbeit seriös durchführen.
Für beide Lager nützlich
«Die Studie versucht einfach, eine Frage zu beantworten», sagt Studienleiter Sven Trelle. «Wir haben keine vorgefassten Meinungen diesbezüglich.» Für konstruktive Kritik sei sein Team offen.
Gemäss Ruedi Löffel sollten Politiker beidseits der drogenpolitischen Grenzen auf die Resultate der Studie gespannt sein. «Man muss herausfinden, wie man den Jugendschutz stärken und den Schwarzmarkt schwächen kann», sagt er. «Die Studie könnte beiden politischen Lagern Erkenntnisse bringen.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch