Keine Einbahnstrasse
Wie steht es «andersherum» – wenn Pflegende gegenüber Patienten oder Heimbewohnern aggressiv werden? Eine entsprechende Erhebung scheint in der Schweiz noch nie gemacht worden zu sein. Aus Deutschland hat die Gerontologin Mariana Kranich eine Befragung bei gegen 600 Altenpflegekräften vorgelegt. 36 Prozent von ihnen gaben an, sie hätten schon «körperliche Misshandlungen» an Bewohnern wahrgenommen, und 10 Prozent gaben zu, sie seien selbst daran beteiligt gewesen.
Am häufigsten genannt wurde der «exzessive Gebrauch freiheitseinschränkender Mittel», dann Stossen, Zwicken und ähnliche Quälereien. Sogar vier Fünftel der Pflegenden (zwei Fünftel aktiv beteiligt) berichteten über seelische Misshandlungen wie Anschreien, Beschimpfen oder sogar Nahrungsentzug.
Andere Sorgen für Ombudsfrau
Bei der Berner Ombudsstelle für Alters- und Heimfragen gehen pro Jahr etwa 400 Anfragen oder Beschwerden ein. Nach rechtlichen Fragen sind es am häufigsten solche der Pflege und Betreuung. Im Jahresbericht 2008 heisst es dazu: «Bei der Pflege werden die Personalknappheit aus Sicht der Angehörigen und die Qualität der Pflege beanstandet. Auch haben viele Angehörige Mühe damit, dass ihre Eltern von Personal betreut und gepflegt werden, das nur unzureichend Deutsch und Mundart spricht.» Heimleitungen sagten dazu oft, «dass sie Mühe hätten, ihren Bedarf an Personal mit Inländern zu decken».
Eigentliche Misshandlungen wurden laut der Ombudsfrau Andrea Lanz Müller nicht gemeldet, aber doch so quälende Umstände wie das «Vergessen» Hilfloser auf dem WC oder bei der Verköstigung. In 13 Fällen waren die Mängel so gravierend, dass Lanz ein Schlichtungsverfahren einleitete. Meistens führte das zu Verbesserungen; nur in zwei Fällen hätten Angehörige der Gesundheitsdirektion Anzeige erstattet, und in einem Fall habe es die Ombudsstelle getan. Die Direktion habe dem betroffenen Heim Auflagen gemacht und es unter Beobachtung gestellt. Die Missstände hatten laut Lanz immer mit dem Mangel an (qualifiziertem) Personal zu tun.
«Nicht anders zu helfen gewusst»
Für Spitäler gibt es interne Ombudsstellen sowie seit Mitte 2008 eine kantonale. Deren Leiter Roman Manser verzeichnete bis Ende letzten Jahres 33 Beschwerden; die meisten betrafen (vermutete) ärztliche Behandlungsfehler. In einem Fall klagten Angehörige, ohne Rückfrage bei ihnen sei ein Demenzkranker in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden, und in einem weiteren Fall ging es um Zwangsfixation eines unruhigen Autisten (an Armen, Beinen und Bauch) während mehrerer Tage. Die Betreuer gaben dem Ombudsmann an, sie hätten sich «nicht anders zu helfen gewusst», bis der Patient mit Medikamenten stabilisiert war. (dg)
Ombudsstellen Alters- und Heimfragen: 031 320 30 69; www.ombudsstellebern.ch; Spitäler: 032 331 24 24; www.ombudsstelle-spitalwesen.ch.
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