Blick hinter die Fassade der Justiz«Kann man überhaupt gerecht sein?»
Für ein Theaterprojekt hat sich der Berner Regisseur Roger Binggeli Bernard mit dem Rechtssystem befasst. Und stiess auf manches Unrecht.

Herr Binggeli, zu Ihrem Stück «Die Weiterbildung» hat Sie ein realer Gerichtsfall inspiriert: Die Französin Valérie Bacot ermordete ihren Ehemann und wurde nur sehr mild bestraft. Der Grund: Ihr Mann vergewaltigte sie schon als Jugendliche, schlug sie und zwang sie zur Prostitution. Was hat Sie an dieser Geschichte interessiert?
Vor allem die Frage: Was ist ein Menschenleben wert? Man liest ja immer von Geschichten, die ganz anders verlaufen. Im italienischen Ancona gab es etwa vor wenigen Jahren den Fall, dass drei Richterinnen einen Vergewaltiger freisprachen mit der Begründung, das weibliche Opfer sei viel zu hässlich, um vergewaltigt worden zu sein. Als Beweis dafür galt, dass der Täter sie auf seinem Handy unter «Nina Wikinger» abgespeichert hatte. Das Urteil führte dann zu Protesten. Das Spannungsfeld zwischen solchen Ungerechtigkeiten und Fällen, in denen mild geurteilt wurde, hat mich interessiert.