Junge SVP sorgt mit «Zigeuner»-Motiv für rote Köpfe
Die Jungpartei zeigt auf einem Wahlplakat Fahrende umgeben von Müllbergen. Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) findet das «unterste Schublade». Die Juso prüft rechtlich Schritte.

Ein Mann in Sennentracht hält sich die Nase zu. Er steht vor einem Abfallberg, dahinter ist eine Wohnwagen-Siedlung zu sehen und ein dunkelhäutiger Mann, der im Gebüsch sein Geschäft verrichtet. Die Botschaft ist klar: Fahrende sind unerwünscht. Sie machen Dreck. Und sie stinken.
Die Szene ist auf einem Plakat der JSVP des Kantons Bern zu sehen, das die Jungpartei auf Facebook veröffentlicht hat (siehe Bildbox). Sie geht damit auf Stimmenfang für die Wahlen in den Grossen Rat. «Wir sagen Nein zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner», so der Slogan. Adrian Spahr, Co-Präsident der Jungen SVP im Kanton Bern, findet das Plakat «überspitzt». Das sei aber bewusst so: «Wir spielen mit diesen Motiven, mit dem Abfall und den Fäkalien», sagt er.
Es gehe aber darum, auf Probleme hinzuweisen. «Ich und viele andere in der Region Bern haben in den vergangenen Jahren sehr negative Erfahrungen mit Zigeunern gemacht», sagt er. Der Dreck, den die Gruppen teilweise hinterlassen hätten, sei unzumutbar. «Wir kämpfen dagegen, dass unter diesen Umständen Transitplätze errichtet werden sollen.» Im Fokus der Kritik stünden dabei ausländische Fahrende und weniger etwa die in der Schweiz anerkannte Minderheit der Jenischen.
Ziel: Neuhaus' Strategie vereiteln
Das Motiv des Wahlplakates kommt nicht von ungefähr. Im vergangenen Jahr sorgte die Fahrenden-Thematik im Kanton Bern für hitzige Debatten. Im Zentrum stand das 360-Seelen-Dorf Wileroltigen, dessen Bewohner sich vehement gegen die Pläne von Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) wehrten, dort die Errichtung eines Transitplatzes zu prüfen. Es kam zu verbalen Verunglimpfungen und rassistischen Kommentaren. Rechtsnationale Gruppierungen wollten an einem von der Gemeinde organisierten Infoanlass aufmarschieren, worauf der Wileroltiger Gemeinderat den Anlass absagte. Später planten linke und linksautonome Gruppierungen eine Demo gegen Anti-Ziganismus.
Mittelfristig zielt die JSVP aber nicht nur auf den Wahlkampf ab. Der Jungpartei geht es vorderhand auch darum, die Strategie von Justizdirektor Neuhaus zu vereiteln. Dieser will dem Grossen Rat bis im Sommer einen Kredit beantragen, um Transitplätze für Fahrende im Kanton Bern zu schaffen. Sollte der Kredit vom Rat durchgewinkt werden, wolle man das Referendum ergreifen, sagt Spahr. «Das Vorgehen des Regierungsrates ist fatal: Er stellt das Volk vor Fakten. Gemeindebehörden werden nicht miteinbezogen, und das Volk hat nichts zu sagen.»
Regierungsrat Neuhaus, der Chef des Fahrenden-Dossiers im Kanton Bern, findet deutliche Worte: «Es ist absolut niveaulos und gehört in die unterste Schublade», sagt er gegenüber dem «Bund». Es sei legitim, dass in der Politik mit harten Bandagen gekämpft werde. Hier sei man aber eindeutig zu weit gegangen.
Juso prüft «rechtliche Schritte»
Für die Berner Jungsozialisten ist klar, dass man auf das Wahlplakat reagieren wird. «Es ist extrem daneben, mit Rassismus auch noch Wahlkampf zu betreiben», sagt Co-Präsidentin Barbara Keller auf Anfrage des «Bund». Man werde rechtliche Schritte prüfen und wohl eine Anzeige einreichen. «Es ist genau die Strategie der Jungen SVP, sich mit solchen Provokationen Aufmerksamkeit zu verschaffen.»
Adrian Spahr versteht die Aufregung nicht. «Wir sehen daran nichts Rassistisches und schon gar nichts von strafrechtlicher Relevanz.» Die Darstellung erfolge neutral. «Wir nennen die Probleme beim Namen. Es ist klar, dass die Juso nichts Besseres zu tun weiss, als mit einer Anzeige zu reagieren», sagt Spahr.
Alma Wiecken, Juristin bei der Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR), findet allerdings, das Plakat sei «eindeutig beleidigend und verletzend». Es setze die Betroffenen in ihrer Menschenwürde herab, indem es pauschalisierend suggeriere, «Zigeuner» seien Diebe, unsauber und unzivilisiert. «Mit dieser pauschalisierenden Herabsetzung ist auch ein Aufruf zur Diskriminierung verbunden, indem einer Gruppe von Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Ethnie ein grundlegendes Recht verwehrt werden soll», sagt Wiecken.
Die EKR interveniert in der Regel nicht in Einzelfällen. Sie rate aber insbesondere den Betroffenen, gegen die Urheber dieses Plakates Anzeige zu erstatten. «Da die Rassendiskriminierung ein Offizialdelikt ist, kann jede Person, die von einem Vorfall Kenntnis hat, bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden eine Anzeige einreichen.»
«Halteplätze sind einzige saubere Lösung»
Die Fahrenden, die der «Bund» zu kontaktieren versuchte, waren am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Für Simon Röthlisberger ist die Kampagne der JSVP allerdings herabsetzend und «total verkehrt». Er ist Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende, die fachliche und politische Arbeit für die Schaffung von Plätzen leistet. «Die einzige unsaubere Lösung wäre es, keine Transit- und Halteplätze zur Verfügung zu stellen.» Das sei letztlich auch im Interesse der Gemeindebevölkerung, da nur so ein organisierter Betrieb gewährleistet werden könne.
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