«Jetzt soll sich eine jüngere Generation beweisen!»
Im Mai schliesst der Berner Club Bonsoir. Wie es weitergeht erzählt Clubbetreiber Arci Friede im Interview.

Wenn Clubbetreiber die Segel streichen, hinterlassen sie meist eine Spur der kulturellen Verwüstung und unbezahlte Rechnungen. Ist das bei Ihnen anders?
Unbezahlte Rechnungen gibt es nicht. Wir schliessen nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil wir eine Entwicklung feststellen, die uns irgendwann in finanzielle Probleme hätte bringen können. Die Clubkultur steckt in der Krise. Wir haben es mit einer Generation zu tun, die ihrem Club nicht jedes Wochenende die Stange hält.
Was will sie denn,diese Generation?
Sie will nach Zürich. Es gab immer wieder Wechselbewegungen in der Clubszene. Mal war Basel angesagt, mal Bern oder Lausanne. Derzeit ist das Angebot für ein Publikum, das primär auf Konsum ausgerichtet ist, in Zürich am grössten.
Sie haben gesagt, dass Sie das Lokal in der Aarbergergasse nicht mehr inspiriert. Sind es nicht letztlich die Inhalte, die ein Lokal zur Inspirationsquelle machen?
Da haben Sie Recht. Es war auch eher so, dass uns die Räumlichkeit in einem Keller ohne Tageslicht und mit tiefen Decken nicht viele Möglichkeiten geboten hat, um das Konzept Club und die Gastronomie nach unserem Gusto weiterzuentwickeln.
Jetzt dürfen Sie es ja sagen: War womöglich auch Ihr Publikum etwas träge? Ist Bern für progressive, urbane Clubmusik schlicht nicht der richtige Ort?
Es ist in Bern durchaus möglich, auch komplexere Inhalte zu programmieren. Es kommt aber sehr darauf an, wer der Absender ist. Bern ist ein Dorf. Jeder kennt jeden. Und wir steckten irgendwann im Klischee des Clubs fest, der einen Bar-Betrieb mit ein bisschen elektronischer Musik anbietet. Wer das Kairo besuchte, ging nicht ins Bonsoir.
Jeder hat das Publikum, das er sich angelächelt hat.
(lacht) Dem ist wohl so. Doch wenn ich zurückdenke, würde ich gar nicht viel anders machen. Vielleicht hätten wir mehr Energie in die Live-Konzerte investieren sollen. Doch unser Publikum zeigte nur ein beschränktes Interesse daran. Und wir haben bald gemerkt, dass Konzerte für einen nicht-subventionierten Club, ein finanzielles Risiko darstellt. Doch ich denke, wir haben solide gearbeitet. Auch als es darum ging, den Club in Richtung Black Music zu öffnen, als uns die elektronische Musik ein bisschen zu langweilen begann, haben wir – aus meiner Sicht – durchaus Stil bewiesen.
Ist derzeit nicht einfach die ganze DJ-Szene etwas uninspiriert?
Ich sähe mich nicht gerne in dieser altklugen Haltung. Und es gibt die spannenden Sachen durchaus. Doch wir mussten uns eingestehen, gewisse aktuelle Entwicklungen nicht mehr zu verstehen, und mochten auch nicht mehr auf diese eingehen.
Was wäre für Sie ein idealer Club?
Ich würde einen Club nie mehr als Business betreiben - eher als Hobby. Das Geld muss woanders herkommen. Momentan würde ich programmatisch auf die neuesten Entwicklungen in der Jazz-Szene reagieren, die ich höchst spannend finde. Oder ich würde möglichst nur noch auf richtige DJs setzen, die auf der Bühne etwas anbieten.
Der Club Bonsoir ist nie in den Genuss von Kulturförderung gekommen. Hat das an Ihnen genagt?
Nein. Wir haben uns damals bewusst ein Konzept zurechtgelegt, das subventionslos selbsttragend sein musste. Wir hatten zuvor als Betreiber des Wasserwerks gemerkt, dass die DJ-Kultur und die elektronische Musik in der Förderpraxis dieser Stadt keine Rolle spielt. Gut möglich, dass dem heute anders wäre. Doch wir haben uns gar nicht mehr darum bemüht.
Bevor Sie sich im Bonsoir niedergelassen haben, galten Sie und Ihr Team als die unberechenbaren Wilden in Berns Partyszene. Sie entwickelten erfolgreiche Partyreihen und waren stets am Puls der Zeit. Jetzt sind Sie nicht mehr ganz so wilde Mid-Ager. Was kommt nach euch?
Wir hoffen, dass jemand in die Lücke springen wird, die das Bonsoir hinterlässt. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der sich eine jüngere Generation beweisen soll. Hoffnung macht mir da die Entwicklung des ISC. Der Club hat sich vom Rock-Lokal zu einem Ort bewegt, in dem Neues ausprobiert wird. Doch das reicht noch nicht. Es braucht Konkurrenz.
Sie haben angekündigt, dass mit Ihnen in der bernischen Zerstreuungsindustrie auch künftig zu rechnen ist. Was schwebt Ihnen vor?
Es ist noch nichts spruchreif. Es gibt viele Ideen, doch nur eine davon dreht sich um ein fixes Lokal – eine Zwischennutzung. Allerdings werden wir nur als stille Teilhaber auftreten und die Hintergrundarbeit verrichten. Wie gesagt: Es gilt, junge Partner mit guten Ideen zu finden.
Weiss man schon was mit dem Bonsoir-Keller geschehen wird?
Wir sind mit einem potenziellen Nachfolger in Verhandlungen.
Sie betreiben die Badi-Beizen im Weyermannshaus, Ka-We-De und Wyler und wurden letztes Jahr als Hipster-Beizer mit überteuerten Hot-Dogs vermaledeit. Was haben Sie für diesen Sommer ausgeheckt?
Zuerst: Ich bin hier nur Teilhaber und spiele keine aktive Rolle. Wir haben diese Beizen letztes Jahr sehr kurzfristig übernommen und allen in etwa dasselbe Konzept aufgepfropft. Das wird sich diesen Sommer ändern. Wir wollen jeden Standort individuell entwickeln und besser auf das jeweilige Publikum eingehen.
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