Jenseits der Schwerkraft
Dieses Jahr bei Shnit: der Beweis, dass sich mit skurrilen Ideen echte Gefühle wecken lassen, ein unfilmischer Film aus Bern und ähnlich viele Besucher wie 2013. Am Sonntag ging das Kurzfilmfestival zu Ende.

Was für Bilder! Da ist das Leben einer Hausfrau zu einem Dasein in Pastellfarben verblasst. Und die Bahnen der ehelichen Routine sind dermassen zementiert, dass es wohl ein Wunder brauchte, um sie aufzubrechen. Oder ein paar Hasenohren. Eines Tages nämlich entdeckt Jeanet, die Hauptfigur im Kurzfilm «Lief Konijn», dass ihre Ohren wachsen. «Ist das vererbbar?», fragt die Tochter. «Das kommt davon, du hast nie auf mich gehört», wirft ihr die Mutter vor. «Hast du ein neues Kleid?», fragt schliesslich Jeanets Ehemann, der sich hinter der Zeitung zu verkriechen pflegt. Nicht nur ist dieser holländische Kurzfilm ein Bijou fürs Auge, er demonstriert auch, wie sich mit einer ziemlich bizarren visuellen Idee ganz echte Gefühle formulieren lassen. Spannend: «Lief Konijn» war nicht der einzige Film am diesjährigen Kurzfilmfestival Shnit, der sich diesen Verfremdungseffekt zunutze macht. Der deutsche Wettbewerbsbeitrag «Bär» etwa tut ähnliches in der Form einer filmischen Dia-Schau, zu der ein Erzähler die Biografie seines Grossvaters aufrollt. Der Clou dabei: Anstelle des Mannes ist in jedes Bild ein Bär montiert. So wird die Geschichte des Grossvaters, der als Fallschirmjäger im Zweiten Weltkrieg gekämpft und seither ein dubioses Verhältnis zu Waffen hatte, skurril, interessant und ein Stück weit allgemeingültig. Egal, ob sie nun echt ist oder nicht.