«Jeder von uns hat seine Linie»
Man habe den Umweltschutz in der FDP vernachlässigt, sagt Johann Schneider-Ammann. So wie die Grünen dürfe man aber nicht politisieren, sagt Christian Wasserfallen, «das ist verantwortungslos». Die Meinungen in der FDP gehen auseinander.
Unisono begrüssen sie die Wahl Ueli Maurers zum Bundesrat. Beim frühmorgendlichen Treffen im Café Fédéral sprechen die Berner FDP-Parlamentarier von einem optimalen, weil knappen Resultat. «Jede Stimme mehr wäre eine zu viel gewesen», sagt Pierre Triponez, der ehemalige Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Christa Markwalder lacht. Mit diesem Resultat sei klar, dass Ueli Maurer in der Pflicht stehe, sich als Bundesrat in seine neue Rolle zu schicken und keine SVP-Oppositionspolitik mehr zu betreiben. Christian Wasserfallen stösst sich an der ultimativen Haltung der SVP, nur die offiziellen Kandidaten der Fraktion zu akzeptieren. «Dieses Vorgehen hat ein erpresserisches Element.»
Auf die Frage, ob denn die FDP bei der Nachfolge von Pascal Couchepin einen Zweiervorschlag präsentieren werde, einen Kandidaten vom rechten und einen vom linken Parteiflügel, sagt Pierre Triponez: «Nein, wir haben keinen linken und keinen rechten Flügel. Wir sind ein geschlossener Block.» Dabei blendet Triponez grosszügig aus, dass ein Viertel der FDP-Parlamentarier Hansjörg Walter wählte – obwohl sich die Partei offiziell fast einstimmig für Maurer ausgesprochen hatte.
Wer folgt auf Couchepin?
Derzeit mache es nicht den Eindruck, als würde Couchepin bald zurücktreten, sagt Schneider. Die Frühstücksrunde gibt sich amüsiert über die fortdauernden Spekulationen über das ausgeprägte Sitzleder des Walliser Magistraten. «Je mehr die Zeitungen über seinen Rücktritt schreiben, umso länger bleibt er wohl», sagt Markwalder. Sorge bereitet der FDP das Aspirieren der CVP auf den zweiten FDP-Bundesratssitz. Doch die Parlamentarier zeigen sich kampfbereit. «Wir brauchen eine supergute Kandidatur», sagt Johann Schneider-Ammann, «sodass unser Kandidat schon so gut wie gewählt ist.» Würde sich nicht er selbst als Unternehmer und Industrie-Patron anbieten? Schneider mag sich zu keiner klaren Aussage durchringen: «Darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Ich habe einen guten Job, und ich bin nicht sicher, ob ich den eintauschen möchte.» Trete Pascal Couchepin nicht zusammen mit Moritz Leuenberger zurück, so habe sowieso die Romandie den Vorrang, ist sich die Runde einig. Dort gebe es zahlreiche gute Kandidatinnen und Kandidaten.
Den zweiten FDP-Bundesratssitz will die Berner Delegation nicht als «Wackelsitz» bezeichnet wissen. Nach der Fusion mit den Liberalen sei die FDP wieder deutlich grösser als die CVP, sagt Markwalder. Der Idee, den umkämpften Bundesratssitz im abgesprochenen Wechsel zwischen CVP und FDP zu besetzen, erteilen sie eine Absage. «Das wäre ein Kuhhandel», sagt Wasserfallen, «wir müssen uns diesen Sitz weiterhin politisch erkämpfen.» Wichtig sei, so Schneider, dass die FDP wieder «von der Basis her» wachse. Es brauche Wahlerfolge in den Kantonen, um den Anspruch auf den Bundesratssitz zu festigen.
Umwelt wichtig – oder nicht?
Es sieht jedoch nicht rosig aus für die FDP. Soeben musste sie bei den Wahlen in der Stadt Bern weiter Federn lassen. Wasserfallen hat die Erklärung dafür in der Schublade: Mit der neuen Konkurrenz von BDP und Grünliberalen sei zu erwarten gewesen, dass der Kuchen neu aufgeteilt würde. Da macht es sich Wasserfallen aber zu einfach. Hätte die FDP dem Umweltschutz etwas mehr Gewicht gegeben und sich nicht in die Bekämpfung des Verbandsbeschwerderechtes verrannt, hätten die Grünliberalen wohl kaum so gepunktet. Markwalder mag es nicht mehr hören: «Die Sache mit der Verbandsbeschwerde ist jetzt vorbei, es ist jetzt abgestimmt. Punkt. Fertig. Schauen wir weiter.»
Beim Umweltschutz gehen die Positionen auseinander: Er könne nicht verstehen, wie es die FDP zulassen konnte, die Grünliberalen so stark werden zu lassen, sagt Schneider. Man dürfe zwar nicht die Ökologie über die Ökonomie stellen, aber es handle sich beim Umweltschutz um ein zentrales Thema. «Wir haben es in der Partei in letzter Zeit zu wenig gepflegt und müssen jetzt schauen, dass wir nicht zu viel Boden verlieren.» Wasserfallen enerviert sich hingegen über den «verantwortungslosen Politstil der Grünen». Wer ausrufe über Offroader und Atomkraftwerke , finde Gehör, das gelte als «sexy». Wer hingegen wie die FDP den Leuten keinen Sand in die Augen streue und den «Blick für das Machbare behalte», gelte als konservativ. Gerade auch mit neuen CO2-sparenden Technologien steige der Stromverbrauch aber stetig an. Da könne man doch nicht kategorisch gegen neue Kernkraftwerke kämpfen. Auch Triponez sagt mit Blick auf die Grünliberalen, es sei schwierig auszumachen, was «Modetrend» und was längerfristig ein Thema sei.
«Meinungsvielfalt muss sein»
Obwohl FDP-Parteipräsident Fulvio Pelli immer wieder versucht, aus seiner Partei eine einheitliche Truppe zu schustern, bleiben die FDP-Parlamentarier Individualisten. Gegen die eigene Initiative zur Beschneidung des Verbandsbeschwerderechts stellten sich namhafte Exponenten der Partei, und in der Frage der Liberalisierung des Cannabis-Konsums exponierten sich etwa Markwalder und Wasserfallen mit gegensätzlichen Standpunkten. Dies verwirrt doch die Wähler? Es gebe zwar gewisse Grundsätze, denen alle Mitglieder der FDP treu seien, sagt Wasserfallen, «aber wir wollen keine homogene Partei mit Stimmzwang werden». Jede der anwesenden Personen habe ihr eigenes Profil, ihre eigenen Themen und erschliesse dadurch auch verschiedene Wählersegmente. Plötzlich rückt auch Triponez von seiner einleitenden Beschwörung der Einheit ab: «Jeder von uns hat seine Linie. Wir stehen nicht zu hundert Prozent immer am gleichen Ort.» Dies sei jedoch normal, sagt Triponez weiter und verweist auf die CVP, deren Flügel noch weiter auseinanderlappen würden.
Schneider schliesst sich dem an: «Meinungsvielfalt muss sein», sagt er und wirft mit einer ausladenden Handbewegung Wasserfallens Glas mit Orangensaft um. Wichtig sei es jedoch, die Stimmen dann zu bündeln, wenn es bei Abstimmungen im Parlament um die Wurst gehe. «In letzter Zeit ist uns das ein bisschen besser gelungen.»
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