Italiens Angst vor der Rache des IS
Die beiden Polizisten, die den Berliner Attentäter stoppten, werden gefeiert. Doch es gibt Polemiken – und echte Gefahren.

Luca Scatà und Cristian Movio, 29 und 35 Jahre alt, heissen die beiden Polizisten, die in den letzten Tagen mit Lob von höchsten Regierungsstellen aus dem In- und Ausland überhäuft worden sind. In Deutschland gibt es einige Politiker, die die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die italienischen Polizisten fordern. Diese hätten für ihr entschiedenes Handeln eine Auszeichnung verdient, sagte der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl. Der Forderung schloss sich Rainer Wendt an. Der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft meinte: «Die italienischen Polizisten haben sich mit ihrem Mut auch um Deutschland verdient gemacht. Das sollte Anerkennung finden.»
Helden unter Polizeischutz
Die vielen Ehrbezeugungen empfinden die Betroffenen eher als unangenehm. «Ich habe nichts Heroisches gemacht, sondern nur meine Arbeit erledigt», sagte Cristian Movio, den der Attentäter von Berlin, Anis Amri, vor seinem Tod angeschossen hatte. Am Weihnachtstag konnte Movio das Spital wieder verlassen. «Es geht mir besser. Ich kann mich ohne grosse Schmerzen bewegen», erklärte der 35-jährige Polizist dem «Corriere della Sera». Dessen Eltern sind stolz, aber auch beunruhigt, weil die Identität ihres Sohnes publik geworden ist. Auch im Fall seines Polizeikollegen Scatà, der den Attentäter erschossen hatte, verbreiteten sich Fotos und Namen rasch in den sozialen und traditionellen Medien. Seither stehen sie rund um die Uhr unter Polizeischutz.
Bildstrecke – Amris Flucht endete in Mailand:
Höchste Regierungsstellen hatten die Namen der beiden Polizisten publik gemacht – und sie ernteten dafür viel Kritik und Häme. «Der IS bedankt sich für Vorname und Nachname der Polizisten», spottete zum Beispiel ein Twitterer. «Können Sie noch die genauen Adressen bekannt geben? Danke!» Die Rache des IS könnte aber nicht nur Scatà und Movio treffen, sondern auch andere Polizisten und alle Normalbürger.
Für Aufsehen und Polemiken sorgten auch die Auftritte der zwei Polizisten in den sozialen Medien. Denn sie zeigen die beiden Helden als Anhänger des Faschismus, vor allem Scatà scheint faschistische Neigungen zu haben. Auf einem Foto auf Instagram grüsst Polizist Scatà mit ausgestrecktem rechten Arm den italienischen Diktator Benito Mussolini. Auch auf Facebook sind seine Sympathien für den Faschismus erkennbar. All dies passt nicht zu einem Helden, so dass sein Facebook-Profil umgehend blockiert wurde.
Personenkontrollen, Barrieren aus Zement und Sondereinheiten
Nach dem Tod Anis Amris «befürchten wir Racheaktionen gegen uns», sagte Maurizio Vallone, der den landesweiten Polizeieinsatz im Kampf gegen den Terror koordiniert. Mit dem Attentäter von Berlin habe die Polizei in Italien erstmals einen islamistischen Terroristen getötet, darum stünden Polizisten wohl zuoberst auf der Liste möglicher Anschlagsziele, meinte Vallone. Die Rache des IS könnte aber auch öffentliche Konzerte und andere Anlässe sowie Orte mit grossen Menschenansammlungen wie den Petersplatz in Rom treffen. Der Schutz von Veranstaltungen und Orten gehört nebst der Kontrolle von verdächtigen Personen zu den zentralen Aufgaben der Polizei. Über 1800 Sicherheitskräfte und 400 Autos sind täglich zusätzlich im Einsatz, um Kontrollen durchführen. Das kostet zusätzlich 100 Millionen Euro pro Monat.
Laut Vallone werden bei allen Grossveranstaltungen an Silvester Personenkontrollen durchgeführt, wie sie bei Fussballstadien praktiziert werden. Zudem sollen rund um die Veranstaltungsorte Barrieren aus Zement sowie weitere Hindernisse aufgestellt werden, um allfällige Attacken mit Lastwagen oder anderen Fahrzeugen zu verhindern. Und nicht zuletzt werden Anti-Terror-Spezialeinheiten zum Einsatz kommen.
Schärfere Sicherheitsvorkehrungen vor allem in Rom
Nach dem Attentat von Berlin hat die Polizei vor allem in Rom die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Weihnachtsfeiertage erhöht. Sehenswürdigkeiten wie das Kolosseum, die grössten Basiliken der Ewigen Stadt, die U-Bahn-Zugänge und die Sitze wichtiger Institutionen werden über die ganzen Feiertage kontrolliert. Besonderes Augenmerk gilt besucherstarken Veranstaltungen und Gottesdiensten, aber auch touristischen Sehenswürdigkeiten und Einkaufszentren.
Rund um den Vatikan blieben jene Massnahmen in Kraft, die seit Beginn des Heiligen Jahrs im Dezember 2015 gelten. Dazu zählen bewegliche Absperrgitter an den Zufahrtsstrassen zum Petersplatz sowie Polizei- und Militärposten. Aus Sorge vor Anschlägen und wegen eines Sponsorenmangels muss Rom auch auf das traditionelle Silvesterkonzert auf dem Circus Maximus mit mehreren Künstlern verzichten.
Video – Aufatmen in Berlin nach Anis Amris Tod:
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