Italien kapert den EU-Gipfel
Die deutsche Kanzlerin hat auf dem Flüchtlingsgipfel keinen Durchbruch erzielt.

Ein Treffen, nur um Angela Merkel zu retten? Für Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz stand der innerdeutsche Streit, wie er es nannte, nicht auf der Agenda. Ähnlich kategorisch der Luxemburger Xavier Bettel bei der Ankunft am Mini-Gipfel in Brüssel: Es gehe hier nicht um das Überleben einer Kanzlerin, sondern darum, eine europäische Lösung in der Migrationsfrage zu finden.
Allerdings dürfte beides zusammenhängen, das politische Schicksal der deutschen Regierungschefin und die Einheit der EU beim Streitthema Asyl und Migration. Angela Merkel selber gab sich in Brüssel nach dem Treffen demonstrativ entspannt und konstatierte nach dem gut vierstündigen Gespräch «viel guten Willen und ein grosses Mass an Gemeinsamkeit».
Anders als zu Hause, wo die Bundeskanzlerin enorm unter Druck steht, bis zum eigentlichen EU-Gipfel Donnerstag und Freitag eine Lösung zu finden, wie die Wanderungsbewegungen zwischen den EU-Staaten gestoppt werden könnten. Ihr Innenminister Horst Seehofer vom Koalitionspartner der bayrischen CSU hat angedroht, sonst Asylbewerber, die schon in anderen EU-Staaten registriert sind, an der deutschen Binnengrenze zurückzuweisen.
Gefährliche Kettenreaktion
Das könnte eine Kettenreaktion auslösen, die nicht nur für die Koalition in Berlin, sondern auch für die EU gefährlich wäre. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte nach Brüssel eingeladen, um Druck von seiner Parteigenossin zu nehmen und den Konflikt vor dem eigentlichen Gipfel zu entschärfen. Am Ende waren immerhin 16 der 28 Mitgliedstaaten der Einladung gefolgt.
«Wir hatten eine sehr gute, und wie ich finde auch sehr wichtige Diskussion», betonte die Kanzlerin. Auch wenn Italiens Regierungschef Giuseppe Conte den Merkel-Gipfel mit einem zehn-Punkte-Plan seinen Stempel aufdrückte. Das Aushängeschild der populistischen Regierung in Rom schlug vor, das Asylsystem der EU ganz über den Haufen zu werfen. Die Dublin-Regelung, wonach Asylsuchende ihren Antrag im Land der Erstankunft zu stellen haben, müsse komplett überwunden werden. «Wer immer in Italien ankommt, kommt in Europa an», heisst es in dem Papier, das Conte mitbrachte. Italien fordert konkret, dass Migranten und Asylsuchende, die in seinen Häfen an Land gehen, sofort innerhalb der EU verteilt werden. Alle Mitgliedstaaten müssten Verantwortung für jene übernehmen, die in Seenot gerettet würden. Im italienischen Papier ist von Auffanglagern in anderen EU-Staaten die Rede, in denen die Asylverfahren durchgeführt werden könnten. Eine Idee, die auch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem spanischen Regierungschef ins Gespräch gebracht wurde. Es geht für die Italiener darum zu verhindern, dass Staaten mit langer Aussen- beziehungsweise Seegrenze die Last alleine tragen müssen. Die Regierung in Rom spricht sich ferner für einen besseren Schutz der Aussengrenzen und für «internationale Schutzzentren» für Migranten in Transitländern ausserhalb der EU aus.
Kurz als Brückenbauer
Das Problem der sekundären Wanderbewegungen von Asylbewerbern innerhalb der EU werde sich dann relativieren und nur noch marginal sein, heisst es im italienischen Papier.
Er sei optimistisch gestimmt, dass europäische Lösungen möglich seine, sagte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Diskussion gehe in die richtige Richtung, sagte Kurz. Einiges, was heute mehrheitsfähig sei, habe er schon auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 vorgeschlagen und sei dafür kritisiert worden. Nicht erwähnt hat Kurz, dass er damals Aussenminister jener Regierung in Wien war, die in grosser Not Merkel drängte, die Grenze vor dem Flüchtlingsstrom zwischen Ungarn und Österreich nicht zu schliessen. Heute sieht sich Österreichs Regierungschef in einer ganz anderen Rolle. «Wir Österreicher wollen Brückenbauer sein, damit die Gräben nicht tiefer werden.»
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