Inflation für die Jungen
Die konservative Regierung will in Japan die Teuerung anheizen. Damit geraten im Land mit der ältesten Bevölkerung die Renten in Gefahr. Dafür profitieren die Jungen. Wird Japan einmal mehr zum Vorbild für die westliche Welt?

Japaner essen nicht nur gut, sondern auch gesund. Daher werden sie alt. Heute hat Japan die durchschnittlich älteste Bevölkerung der Welt; und die Rentner können sich nicht beklagen. Sie haben ihr Berufsleben unter idealen Bedingungen verbracht. Im Boom der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben viele japanische Unternehmen ihre Angestellten lebenslänglich eingestellt und anständig bezahlt. Sie beziehen daher anständige Altersrenten. Kommt dazu, dass eine leichte Deflation in den letzten Jahren ihre Stellung noch verbessert hat: Die Kaufkraft der Renten hat parallel mit der Zunahme des Wertes des Geldes stetig zugenommen.
Weniger komfortabel lebt die japanische Generation X. Wer nach dem Platzen der Aktien- und Immobilienblase Ende der 1980er-Jahre ins Berufsleben eintreten musste, tat dies unter deutlich erschwerten Bedingungen. Viele von ihnen bekamen keinen gesicherten Arbeitsplatz mehr bei Toyota, Sony und Co., sondern müssen sich mit schlecht bezahlten Jobs durchschlagen. Mehr als ein Drittel dieser jüngeren Generationen sind daher im prekären Arbeitsmarkt beschäftigt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit bei rund zehn Prozent, doppelt so hoch wie im Durchschnitt.
Eigentlich politischer Selbstmord
Seit ein paar Monaten ist Shinzo Abe wieder japanischer Premierminister. Er ist eigentlich ein konservativer Politiker mit Hang zum Nationalismus. Trotzdem betreibt er eine für Japan bisher unübliche Wirtschaftspolitik, die Abenomics genannt wird. Der Premierminister hat die bisher hoch gehaltene Trennung von Politik und Zentralbank in den Wind geschossen und grossen Druck auf die Zentralbank ausgeübt, damit diese eine Geldpolitik betreibt, die eine milde Teuerung zulässt. Damit soll endlich die Deflationsspirale gestoppt und der Aussenkurs des Yens geschwächt werden.
Eine konservative Regierung, die im ältesten Land der Welt mehr Inflation will? Eigentlich wäre das ein sicheres Rezept für einen politischen Selbstmord. Doch die Börsen boomen und Abe ist sowohl bei der Bevölkerung beliebt als auch bei den Experten respektiert. Richard Koo, Chefökonom der Nomura Bank und Japans bekanntester Wirtschaftsexperte, hat die Abenomics kürzlich in der «Financial Times» in den höchsten Tönen gelobt. «Japan könnte es tatsächlich gelingen, endlich aus seiner Rezession zu entfliehen», stellte Koo fest.
Rund um den Globus aufmerksam verfolgt
Weshalb der Beifall? Abenomics tut endlich etwas für Japans junge Generation. Mehr Inflation ist letztlich nichts anderes als eine neue Aushandlung des Generationenvertrages mit dem Resultat, dass die Jungen auf Kosten der Alten profitieren. Diese Umverteilung wird in Japan als fair und gerecht empfunden. Zu Recht, denn diese Umverteilung macht auch volkswirtschaftlich Sinn. Deflation belohnt das Horten von Geld, es wird ja immer wertvoller. Die Japaner sind nach wie vor Weltmeister im Sparen. «Heute spart der private Sektor rund neun Prozent des Bruttoinlandprodukts bei praktisch null Prozent Zinsen, eine schockierende Zahl», stellt Koo fest. Umgekehrt belohnt eine leichte Inflation die Unternehmer, weil so die Schuldenlast weniger schwer drückt. So werden die «animal spirits», der Unternehmergeist, in Japan neu geweckt und die Wirtschaft belebt.
Die Abenomics werden rund um den Globus von den Ökonomen aufmerksam verfolgt. Gelingt das Experiment, dann wird es wahrscheinlich bald Nachahmer finden. Japan könnte wieder wie in den 1980er-Jahren zu einem Modellfall werden. Denn es hat zwar die älteste Bevölkerung, aber es befindet sich dabei in bester Gesellschaft. Fast alle modernen Gesellschaften sind heute überaltert – auch die Schweiz.
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