Gleichgeschlechtliche EheIn der Öffentlichkeit sagen sie Ja – im Parlament Nein
Laut Smartvote hätte die «Ehe für alle» in der ständerätlichen Rechtskommission elf Ja-Stimmen bekommen müssen. Es waren aber nur sieben.

Wird der Ständerat die «Ehe für alle» ebenfalls befürworten? Der Nationalrat hat die Vorlage im Sommer grossmehrheitlich gutgeheissen, im Ständerat wird ein knapperes Resultat erwartet. Letzte Woche hat nun die ständerätliche Rechtskommission einen ersten Entscheid gefällt und die Vorlage mit sieben zu einer Stimme bei vier Enthaltungen angenommen.
Allerdings: Laut Smartvote-Profil befürworten 11 der 13 Kommissionsmitglieder die «Ehe für alle», sogar «gleiche Rechte für homosexuelle Paare in allen Bereichen», so ist die Frage auf der Wahlhilfeplattform formuliert. Von der Rechtskommission beantworteten sie nur die CVP-Ständeräte Beat Rieder (VS) und Stefan Engler (GR) mit Nein. Alle anderen Kommissionsmitglieder sagten auf Smartvote klar Ja.
«Beat Rieder und Stefan Engler sagen auf Smartvote klar Nein zur Homosexuellenehe. Alle anderen sagten Ja.»
Also müsste die Vorlage in der Kommission elf Ja-Stimmen bekommen haben, nicht bloss sieben. Wer sind die vier, die entgegen ihrer öffentlich erklärten Meinung stimmten? Klammert man SP und Grüne aus, die geschlossen dafür sind, verbleiben die FDP-Ständeräte Andrea Caroni, Philippe Bauer, Martin Schmid und Thomas Hefti, der Parteilose Thomas Minder und die CVP-Ständerätin Heidi Z’graggen. Eine Umfrage der Redaktion bei diesen fünf Kommissionsmitgliedern sollte Klarheit schaffen.
Philippe Bauer und Andrea Caroni rufen zurück – sie gehören zur befürwortenden Mehrheit. Heidi Z’graggen meldet sich ebenfalls und erklärt: Sie befürworte die «Ehe für alle», doch sie habe sich in der Kommission enthalten, weil sie der Ansicht sei, dass die «Ehe für alle» eine Verfassungsänderung brauche. Die damit einhergehende Volksabstimmung verzögere die Inkraftsetzung etwa um ein halbes Jahr, das sei verkraftbar, sagt die vormalige Urner Regierungsrätin. Sie gehe davon aus, dass die Vorlage die Hürde des doppelten Ja von Volk und Kantonen schaffe, und sie werde sich persönlich dafür einsetzen, verspricht sie. Wenn die «Ehe für alle» im Dezember ins Ständeratsplenum kommt, wird Heidi Z’graggen dem Rat beantragen, die Verfassung anzupassen.
Gegner sind für Verfassungsänderung
Heute heisst es in der Verfassung: «Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet.» Eine explizite Einschränkung auf Mann und Frau gibt es nicht. Dennoch sind einige Parlamentarier und auch ein Teil der Rechtsexperten der Ansicht, dass bei einer Erlaubnis der gleichgeschlechtlichen Ehe die Verfassung geändert werden müsse. Es sind in der Regel die Gegner der Eheöffnung, die für eine Verfassungsänderung plädieren. Heidi Z’graggen ist offenbar eine Ausnahme.
Oder auch der Schaffhauser Thomas Minder. Es sei richtig, dass er sich auf Smartvote für die Homosexuellenehe ausgesprochen habe, lässt sein Sekretär ausrichten. Dennoch gehöre er in der Kommission zur Minderheit. Inzwischen seien bekanntlich noch andere Liberalisierungen in die Vorlage eingeflossen, vor allem im Bereich Reproduktionsmedizin. Dort stehe er einer Öffnung sehr kritisch gegenüber. Grundsätzlich bedürfe eine so fundamentale Neuerung einer Verfassungsanpassung.
Nicht geantwortet haben bis Sonntagabend die Freisinnigen Thomas Hefti (GL) und Martin Schmid (GR). Ihre Haltung zur Vorlage und zur Smartvote-Antwort ist damit offen. Offensichtlich gehören sie nicht zu jenen, die in der Kommission Ja sagten zur «Ehe für alle». Denn die sieben Ja-Stimmen sind mit Links-Grün, Andrea Caroni und Philippe Bauer ausgeschöpft.
Neuer Vorschlag: Samenspende nur im Inland
Inhaltlich interessant am Kommissionsentscheid ist eine Regelung, die der Ausserrhoder Caroni in der Detailberatung eingebracht hat: Die Mutterschaftsvermutung soll nicht generell eingeführt werden, wenn in einer lesbischen Ehe ein Kind zur Welt kommt – sondern nur dann, wenn das Kind aus einer im Inland durchgeführten Samenspende stammt. Damit soll das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung besser gewährleistet sein. Heute gehen lesbische Paare für die Anwendung von reproduktionsmedizinischen Massnahmen ins Ausland, da ihnen der Zugang in der Schweiz verwehrt ist. Künftig gäbe es keinen Grund mehr für Auslandtourismus – ausser jenem, dass dort anonyme Samenspenden möglich sind, was dem schweizerischen Recht auf Kenntnis der Abstammung ohnehin widerspricht. Auch soll laut Caronis Vorschlag die Mutterschaft bei lesbischen Ehepaaren nicht mehr angefochten werden können, wie das bei der Vaterschaft heute möglich ist.
Diese Bestimmung sei für alle Beteiligten vorteilhaft, sagt Caroni: Schweizer Samenbanken schützen die Rechte aller Beteiligten – eine «gehörnte Mutter» werde es nicht geben, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung sei gewährleistet, und es würde ein Anreiz eliminiert, für Samenspenden ins Ausland zu reisen.
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