In der AfD herrscht permanenter Kriegszustand
Vor dem Parteitag in Köln wird bei der Alternative für Deutschland erbittert um die Macht gekämpft. In den Umfragen ist die Partei unter 10 Prozent gerutscht.

Seit ihrer Gründung vor vier Jahren bekämpfen sich die wichtigsten Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) mit einer Lust und Niedertracht, die man auch in anderen jungen Parteien noch selten gesehen hat. Beobachter sprechen von «permanentem Bürgerkrieg» und spotten über die «untalentiertesten Rechtspopulisten Europas». Rechte Parteien sind fast überall sonst streng auf eine einzelne Führungsfigur ausgerichtet.
Um Politik geht es bei den Gifteleien in der AfD erstaunlich selten, umso häufiger aber um Macht, um Kränkungen und um satte Abgeordnetengehälter. Der Befund ist verblüffend, wenn man sich vor Augen hält, wie politisch heterogen die Partei immer noch ist. Sie reicht von bürgerlichen Konservativen, Ultraliberalen und Nationalisten bis zu den völkischen Revolutionären am rechten Rand. Weil seit der Gründung immer die Lautesten den Ton angeben, hat sich die AfD in den vergangenen Jahren indes ständig radikalisiert. Vor allem seit dem Flüchtlingsherbst 2015 hetzen ihre Exponenten gegen Ausländer, den Islam und die «Diktatorin Merkel» in einer Art, die noch kurz zuvor zu einem Ausschluss aus der Partei geführt hätte.
Begriff «völkisch» rehabilitiert
Inmitten dieses Tumults steht Frauke Petry. Die 41-jährige promovierte Chemikerin, gerade mit ihrem fünften Kind hochschwanger, ist nach wie vor das prominenteste, erfrischendste und talkshowtauglichste Gesicht der Partei. Hinter den Kulissen indes agiert sie als gnadenlose Technikerin der Macht. Um politische Debatten geht es ihr eigentlich nie, in ihren Meinungen ist sie maximal flexibel. Sie legt Wert darauf, ihre Partei und sich selber als bissige bürgerliche «Volkspartei» erscheinen zu lassen, schreckt aber auch nicht davor zurück, den Begriff «völkisch» zu rehabilitieren oder in Kauf zu nehmen, dass auf Flüchtlinge an der Grenze geschossen wird, um sie an der Einreise zu hindern.
Vor zwei Jahren hatte Petry mithilfe der Radikalen um Björn Höcke und Alexander Gauland den vergleichsweise liberalen Parteigründer Bernd Lucke gestürzt und an seiner Stelle den Vorsitz übernommen. Nun droht ihr dasselbe Schicksal. Wieder stehen Höcke und Gauland am Fenster, wenn der König in die Tiefe stürzt.
Petry hatte den jüngsten Krieg eröffnet. Sie brachte die AfD dazu, gegen Höcke wegen wiederholter völkischer «Ausfälle» ein Verfahren einzuleiten, mit dem dieser aus der Partei ausgeschlossen werden sollte. Der ehemalige Geschichtslehrer mit den stahlblauen Augen hatte im Januar unter anderem das Holocaust-Mahnmal in Berlin als «Denkmal der Schande» bezeichnet. Gegen Gauland wiederum zielte Petry mit einem Antrag zuhanden des Parteitags, der ihn als «Fundamentaloppositionellen» in die Ecke stellen sollte. Gauland und Höcke antworteten, indem sie einen Aufstand der Basis gegen die «Alleinherrscherin» Petry und ihre «Denkverbote» orchestrierten.
Petrys Rückzug
Um der absehbaren Niederlage zuvorzukommen und gleichzeitig ihren Parteivorsitz zu retten, verkündete Petry am Mittwoch, dass sie für die Spitzenkandidatur in Hinblick auf die Bundestagswahl im Herbst «nicht zur Verfügung» stehe, weder alleine noch im Team. Gauland hatte ihr zuvor erfolglos eine gemeinsame Kandidatur angetragen. Auch im Streit mit Höcke geht es Petry vor allem um die Macht, allenfalls noch um die richtige Taktik. Die Sächsin weiss, dass die AfD ohne ihren rechten Rand vor allem im Osten Deutschlands keine Wahlen gewinnen kann.
Die Parteichefin und ihr Mitstreiter und Ehemann Marcus Pretzell – Landeschef in Nordrhein-Westfalen, wo bald gewählt wird – sind jedoch besorgt, dass Höckes völkische Tiraden bürgerliche Wähler im Westen abschrecken. Vor allem deswegen, so Petry, sei laut Demoskopen das Wählerpotenzial der AfD seit 2015 von 30 auf 14 Prozent geschrumpft. Je schriller die Höckes polterten, umso weniger Bürger könnten sich überhaupt vorstellen, die «Alternative» zu wählen.
Tatsächlich ist die Partei in den vergangenen drei Monaten in den Umfragen kräftig abgerutscht, von rund 15 auf 9 Prozent. Abgesehen von der Aufregung um Höcke schadet der Partei vor allem der Höhenflug der Sozialdemokraten unter Martin Schulz. Dessen Schalmeienklänge von «sozialer Gerechtigkeit» verlocken auch viele AfD-Wähler, die gewahr werden, dass die «Alternative» weniger soziale Wohltaten verspricht als erhofft. Während das Land unverhofft einem Zweikampf zwischen Schulz und Kanzlerin Merkel entgegenfiebert, fällt es den kleinen Parteien zunehmend schwer, überhaupt noch Aufmerksamkeit zu bekommen. Das gilt sogar für die provokationsgeübte AfD.
Grosse Gegendemonstration
An dieser Grosswetterlage wird auch der zweitägige Parteitag wenig ändern, der heute in Köln beginnt. Die beiden Lager um Petry und Gauland/Höcke werden versuchen, eine offene Spaltung der Partei zu vermeiden, aber gleichzeitig ihren Einfluss möglichst auszubauen. Ob überhaupt eine Spitzenkandidatur benannt werden wird, ist offen. Medien kolportieren den Plan, Gauland paktiere mit Alice Weidel, einer jungen Ökonomin, die bisher eher zum Petry-Lager gezählt wurde.
Höcke übrigens, auch das ein Symbol, reist gar nicht erst nach Köln. Das Hotel, in dem sich die Delegierten treffen, hatte ihn nach seiner Holocaust-Rede mit einem Hausverbot belegt. Dafür haben sich 50'000 Gegendemonstranten angekündigt. Nicht nur die Partei, auch die Stadt, in der sie auftritt, wird im Ausnahmezustand sein.
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