Im Flow der guten Laune
Die Regisseurin Boukje Schweigman setzt das Publikum bei Auawirleben einer aufmüpfigen Menschenschar aus.

Überall Hektik, überall Gedränge, und ständig wird man angerempelt: Es gibt angenehmere Momente, als in einen Pendlerstrom zu geraten. Jetzt aber, wie man im Kesselhaus der Dampfzentrale steht, wirkt es seltsam beruhigend, als eine Gruppe gestresster Leute durchs Publikum hetzt. Sie müssen allerdings auch keinen Zug erwischen, sondern sind das niederländische Kollektiv Schweigman& um die Regisseurin Boukje Schweigman, das am Theaterfestival Auawirleben die Wirkungskraft von Menschenmassen untersucht.
Wobei das nun technischer klingt, als es das Stück «For the time being» ist. Denn zuerst einmal herrscht Verblüffung: Das sind doch keine Wachsfiguren, die da im Raum verteilt in übertrieben theatralischen Posen verharren? Die Körperbeherrschung der 14-köpfigen Truppe ist beeindruckend. Aber natürlich lässt die Kraft nach einer Weile nach; der Sabber läuft, die aufgerissenen Augen tränen, die Glieder sinken, die Mundwinkel zucken.
Mit der Zeit bleibt auch das Publikum stehen, das sich ansonsten frei bewegen kann. Plötzlich rühren sich dafür die Darsteller: Sie schlängeln sich in Hochgeschwindigkeit durch die Leute, wobei ihre Hast bewirkt, dass nun wiederum die Zuschauer wie verwurzelt festkleben. Zu beobachten, wie diese Wechselwirkung fast wie ein Naturgesetz zutage tritt, macht erstaunlicherweise ziemlich gute Laune. Ob sich die energiegeladene Schar nun filmreif in der Ecke rauft, ob sie schweisstriefend hinfällt, synchron atmet oder langsam rückwärts geht – immer zwingt sie einen zu einer Reaktion, und sei es nur ein schüchterner Standortwechsel.
Doch dann, als einem die einzelnen Performer schon fast ein wenig vertraut vorkommen, suchen sie Blick- und Körperkontakt. So stark beachtet will man dann als Zuschauer doch nicht werden, wobei man sich den Interessensbekundungen auch gut entziehen kann. Und am Schluss hocken alle in einer Burg aus Kartonschachteln, während die Perkussionsgruppe Slagwerk Den Haag auf der anderen Seite einen gespenstischen Soundtrack spielt. Wie es soweit gekommen ist? Gute Frage. Man ist halt einfach mit dem Flow gegangen.
Auawirleben dauert noch bis 26. Mai.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch